Die Energiepreise bleiben auf hohem Niveau – insbesondere für energieintensive Industrieunternehmen stellt dies eine erhebliche Herausforderung dar. Nachdem Bundeskanzler Friedrich Merz bereits am 20. Oktober 2025 auf dem Gewerkschaftstag der IG Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE) in Hannover ankündigte, dass ein „Industriestrompreis“ bis Ende des Jahres 2025 stehen solle, hat jetzt Bundeswirtschaftsministerin Reiche nachgelegt. Sie geht davon aus, dass der Industriestrompreis ab 1. Januar 2026 starten wird.
Auf EU-Ebene stellte die Kommission unlängst durch den Rahmen für staatliche Beihilfen zur Unterstützung des Deals für eine saubere Industrie (Clean Industrial Deal State Aid Framework, kurz: „CISAF“) die EU-beihilferechtlichen Weichen für einen etwaigen Industriestrompreis.
Hintergrund: Was war und ist geplant?
Mit dem im Mai 2023 vorgestellten Arbeitspapier „Wettbewerbsfähige Strompreise für die energieintensiven Unternehmen in Deutschland und Europa sicherstellen“ verfolgte das damalige Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz das Ziel, energieintensive Industrieunternehmen übergangsweise zu entlasten. Dabei sollte ein reduzierter Strompreis von EUR 0,06/kWh für energieintensive Unternehmen gelten, die im internationalen Wettbewerb stehen. Die Förderung war bis zum Jahr 2030 angedacht, Unternehmen hätten den Nachweis eines Transformationsplans führen und somit einen Teil des gewährten Vorteils entsprechend in Verbesserungs- und Energieeffizienzmaßnahmen reinvestieren müssen.
Der aktuelle durch einen Expertenkommission erarbeitete Planungsstand für den Industriestrompreis sieht demgegenüber sogar einen reduzierten Strompreis von EUR 0,05/kWh vor – und würde damit den EU-beihilferechtlichen Rahmen vollständig ausnutzen.
EU-beihilferechtlicher Rahmen: CISAF
Staatliche Förderungen, wie ein Industriestrompreis, müssen im Einklang mit dem EU-Beihilferecht stehen. Grundsätzlich sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen (vgl. Art. 107 Abs. 1 AEUV). Unter gewissen Voraussetzungen als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden können u.a. Beihilfen zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete (vgl. Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV). Auf dieser Basis veröffentlichte die EU-Kommission am 4. Juli 2025 den bis Ende 2030 befristeten Beihilferahmen CISAF.
Nach Ziff. 4.5 des CISAF ist eine „Strompreisentlastung für energieintensive Verbraucher“ ausdrücklich möglich. Beihilferechtlich zulässig ist eine Ermäßigung von bis zu 50 % auf den Großhandelspreis – und zwar für max. die Hälfte des Jahresstromverbrauchs des geförderten Unternehmens. Dabei darf der ermäßigte Preis aber nicht unter 50 EUR/MWh liegen. Voraussetzung für eine Förderung ist weiter, dass das geförderte Unternehmen „mindestens 50 % des im Rahmen dieser Maßnahme erhaltenen Beihilfebetrags“ für Investitionen in neue oder modernisierte Anlagen aufwendet (sog. Dekarbonisierungsbeitrag). Interessant für energieintensive Unternehmen ist, dass aus beihilferechtlicher Sicht eine (ggf. teilweise) Kumulierung der Strompreisentlastung mit weiteren Förderungen möglich sein kann, sofern diese Kumulierung nicht dazu führt, dass die jeweiligen Beihilfehöchstintensitäten oder Beihilfehöchstbeträge überstiegen werden. Im Rahmen der nationalen Umsetzung ist in diesem Kontext jedoch derzeit sehr umstritten, ob eine Kombination des Industriestrompreises mit der Strompreiskompensation zulässig sein soll oder sich diese Mechanismen gegenseitig ausschließen.
Wer kann profitieren?
Nach den EU-Vorgaben im CISAF können die Unternehmen profitieren, bei denen das Risiko der Verlagerung von Tätigkeiten an Standorte außerhalb der EU, an denen es niedrigere Umweltvorschriften gibt, besteht. Das betrifft nach Auffassung der EU-Kommission besonders stromintensive Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen. Förderfähig sollen jedenfalls die Unternehmen sein, deren Haupttätigkeitsbereich von der Auflistung in Anhang 1 der Leitlinien für Klima-, Umweltschutz- und Energiebeihilfen („KUEBLL“) erfasst ist (vgl. CISAF, Ziff. 4.5.2.). Dabei steht der unionsrechtliche Regelungsrahmen einer nationalen Förderregelung, wonach auch fachliche Betriebs- oder Unternehmensteile förderfähig sein können, wenn ihr Haupttätigkeitsbereich von der Auflistung in Anhang 1 des KUEBLL erfasst ist, nicht entgegen. Die Auflistung ist darüber hinaus nicht abschließend: Die Mitgliedsstaaten haben die Möglichkeit, gegenüber der EU-Kommission auch die Förderfähigkeit nicht aufgelisteter Wirtschaftszweige nachzuweisen. Das in Deutschland für die nationale Umsetzung zuständige Bundesministerium für Wirtschaft und Energie („BMWE“) begrüßte die Einführung von CISAF. Aktuell prüft BMWE, ob es von der von der EU eingeräumten Möglichkeiten, die Förderfähigkeit auch auf nicht aufgelistete Wirtschaftszweige zu erweitern, Gebrauch macht.
Der aktuelle Expertenvorschlag sieht vor, sich an der Auflistung des KUEBLL zu orientieren. In Deutschland würde das rund 2000 Unternehmen mit einem jährlichen Gesamtverbrauch von rund 100 Terawattstunden betreffen.
Zum Thema Industriestrompreis wird vieles von den Details der nationalen Umsetzung eines Industriestrompreises im Rahmen des CISAF abhängen. Es bleibt abzuwarten, wie der Bund die Mittelverwendung konkret umsetzt. Dabei wird aber nicht von dem fördermittelrechtlichen Grundsatz abgewichen werden, dass bei Verstößen gegen Fördervoraussetzungen oder Zweckbindung die Mittel ganz oder teilweise zurückgefordert werden können. Insoweit sollten Fördermittelempfänger rechtlich sicherstellen, dass es bei Inanspruchnahme des Industriestrompreises nicht zu Rückforderungen kommen kann.
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Taylor Wessing bietet maßgeschneiderte Rechtsberatung, gerade an der Schnittstelle von Energierecht und EU-Beihilferecht. Wir unterstützen bei der rechtlichen Strukturierung Ihres Fördervorhabens, von der Antragstellung bis zur Verwendungsnachweisprüfung. Über Updates zum Thema „Industriestrompreis“ halten wir Sie an dieser Stelle informiert.
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