17. Dezember 2025
Mit Beschluss vom 3. Juli 2025, 8 Ta 1/25, hat das LAG Baden-Württemberg entschieden, dass sich ein Arbeitgeber nicht auf die gerichtliche Einstufung einer Information als geheimhaltungsbedürftig nach § 16 Abs. 1 GeschGehG berufen kann, wenn die geltend gemachten Geheimhaltungsmaßnahmen lediglich aus allgemeinen arbeitsvertraglichen Verschwiegenheitsklauseln und rudimentären technischen Sicherungen bestehen.
Der Arbeitgeber ist ein Anlagenhersteller mit eigener Konstruktionsabteilung, der vom Gericht die Einstufung von Konstruktionszeichnungen und einem Excel-Kalkulationstool als geheimhaltungsbedürftig im Sinne des § 2 Nr. 1 lit. b GeschGehG begehrte. Der Arbeitgeber wendete sich gegen einen ehemals bei ihm beschäftigten Vertriebsingenieur, der kurz nach seinem Ausscheiden geschäftsführender Gesellschafter eines Konkurrenzunternehmens wurde. Dort solle der ehemalige Arbeitnehmer die Konstruktionszeichnungen und das Excel-Kalkulationstool des Arbeitgebers für die Auftragsgewinnung und Ermittlung besserer Angebotspreise als der Wettbewerb weiterverwendet haben. Die Konstruktionszeichnungen seien das Ergebnis jahrelanger Entwicklungs- und Optimierungsarbeiten und besäßen als technische Grundlage der Produkte erheblichen wirtschaftlichen Wert. Der Arbeitsvertrag enthielt eine Verschwiegenheitspflicht, die den Arbeitnehmer zur Geheimhaltung über „alle betrieblichen Angelegenheiten, die ihm (ihr) während seiner (ihrer) Tätigkeit bekannt werden, auch nach seinem (ihrem) Ausscheiden aus der Firma“ verpflichtete. Die Konstruktionszeichnungen waren auf einem von dem Arbeitgeber betriebenen und physisch abgeschlossenen Server gespeichert sowie dort auf einem Laufwerk abgelegt, auf das nur die Konstruktionsabteilung Zugriff hatte. Eine Dokumentation darüber, welcher Benutzer mit welchem Computer die Dokumente einsieht und bearbeitet, gab es nicht. Das ArbG Stuttgart (Beschluss vom 26. Juli 2023, 12 Ca 806/21) entschied zugunsten des ehemaligen Arbeitnehmers und wies die Anträge mangels Darlegung angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen zurück. Das LAG bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz.
Das LAG stellte fest, dass der Arbeitgeber nicht Inhaber eines Geschäftsgeheimnisses nach § 2 Nr. 1 lit. b GeschGehG war, da es an angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen fehlte. Sowohl die arbeitsvertragliche Verschwiegenheitsregelung als auch die technischen Sicherungsmaßnahmen erachtete das LAG für unzureichend.
Der Arbeitgeber kann sich nicht auf die arbeitsvertragliche Verschwiegenheitsregelung berufen, weil die Regelung nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam ist. Das sei bei den von dem Arbeitgeber vereinbarten Verschwiegenheitsregelungen der Fall, da sie lediglich unbestimmt die Geheimhaltung betrieblicher Angelegenheiten nennen, ohne einen Bezug zum Begriff des Geschäftsgeheimnisses herzustellen und deutlich zu machen, welche Informationen als Geschäftsgeheimnisse klassifiziert sein können. Auch auf die allgemeine Nebenpflicht im bestehenden Arbeitsverhältnis zur Verschwiegenheit gemäß § 241 Abs. 2 BGB könne sich der Arbeitgeber nicht berufen, da dies für die Qualifizierung als Geschäftsgeheimnis nach § 2 Nr. 1 lit. b GeschGehG, der aktive Geheimhaltungsmaßnahmen fordert, unerheblich sei.
Die technischen Sicherungsmaßnahmen waren ebenfalls angesichts des von dem Arbeitgeber vorgetragenen Wertes der Konstruktionszeichnungen unzureichend im Sinne des § 2 Nr. 1 lit. b GeschGehG. Das LAG stellte fest, dass ein optimaler Schutz zwar nicht erforderlich sei, hob jedoch hervor, dass sich die von dem Arbeitgeber geschilderten technischen Maßnahmen „deutlich am unteren Ende des technisch Machbaren“ bewegten und gänzlich ungeeignet seien. Zwar war der Zugriff auf das betroffene Laufwerk, auf dem die Konstruktionszeichnungen gespeichert waren, auf Mitarbeiter der Konstruktionsabteilung beschränkt, jedoch fehlte ein irgendwie geartetes Kontrollsystem, wie etwa Verschlüsselungen oder Protokollierungsmechanismen. In technischer Hinsicht hätte ein zugriffsberechtigter Mitarbeiter die Informationen auf einfachste Weise auf einen externen Datenträger kopieren und weitergeben können, ohne dabei befürchten zu müssen, erkannt zu werden. Für das Excel-Kalkulationstool habe der Arbeitgeber überhaupt keine technischen Schutzmaßnahmen vorgetragen.
§ 16 Abs. 1 GeschGehG ermöglicht die gerichtliche Einstufung von Informationen als geheimhaltungsbedürftig. Dies setzt voraus, dass die streitgegenständlichen Informationen ein Geschäftsgeheimnis sein können. Ein Geschäftsgeheimnis ist nach § 2 Nr. 1 lit. b GeschGehG eine Information, die Gegenstand von angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen ist. Ohne angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen scheidet rechtlich ein Geschäftsgeheimnis im Sinne des § 2 Nr. 1 lit. b GeschGehG aus. Erforderlich ist die Vornahme aktiver Schutzmaßnahmen, die sowohl Zugangsbeschränkungen als auch vertragliche Sicherungsmechanismen sein können. Sie hängen von der Art des Geschäftsgeheimnisses und den konkreten Umständen der Nutzung ab. Hinsichtlich vertraglicher Verschwiegenheitspflichten war der vorliegenden Entscheidung die des BAG (Urteil vom 17. Oktober 2024, 8 AZR 172/23) zu sog. Catch-all-Klauseln vorausgegangen. Danach seien umfassende und zeitlich unbegrenzte Stillschweigensverpflichtungen, die sich pauschal auf alle internen Vorgänge beziehen, unwirksam, da sie den Arbeitnehmer unangemessen gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 iVm Abs. 1 Satz 1 BGB benachteiligen. Die Rechtsprechung des LAG Baden-Württemberg fügt sich in die Linie der Rechtsprechung des BAG ein und konkretisiert insbesondere die Anforderungen an angemessene technische Geheimhaltungsmaßnahmen.
Die Entscheidung verdeutlicht nochmals, dass Unternehmen ihre Geheimhaltungsstrukturen sorgfältig ausgestalten und überprüfen sollten, um sich erfolgreich auf den Schutz des GeschGehG berufen zu können. Dabei zeigt sich, dass an die technischen Sicherungsmaßnahmen im Einzelfall hohe Anforderungen gestellt werden, die für Arbeitgeber möglicherweise mit erheblichem organisatorischem und finanziellem Aufwand verbunden sein können.
Wer als Arbeitgeber seine Geschäftsgeheimnisse wirksam schützen will, sollte daher auch die vertraglichen Regelungen in den Blick nehmen. Hier lässt sich durch auf die konkreten Geschäftsgeheimnisse bezogene Vertragsklauseln ein belastbares Schutzniveau schaffen. Die weitverbreiteten allumfassenden und zeitlich unbegrenzten Verschwiegenheitsklauseln in Arbeitsverträgen bieten seit der Rechtsprechung des BAG zu Catch-all-Klauseln keinen Schutz der Geschäftsgeheimnisse mehr.