23. Oktober 2025
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Auch im Arbeitsverhältnis steht Arbeitnehmern ein Auskunftsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber nach Art. 15 DSGVO zu. In der Praxis gewinnt dieser Anspruch zunehmend an Bedeutung, nicht selten als strategisches Druckmittel in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten. Greift ein Arbeitnehmer etwa eine Kündigung an und macht gleichzeitig Bonusansprüche geltend, kann die zusätzliche Forderung nach datenschutzrechtlicher Auskunft den Verhandlungsdruck erhöhen.
Es stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage, ob der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch in einem arbeitsgerichtlichen Vergleich miterledigt werden kann. Diese Frage hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Saarlouis in einem Urteil aus Mai 2025 (Az.: 2 A 165/24) grundsätzlich bejaht.
Streitgegenständlich in dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt war eine Beschwerde eines Arbeitnehmers gegenüber der Datenschutzaufsichtsbehörde gemäß Art. 77 DSGVO. Hintergrund der Beschwerde war, dass der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber eine umfassende Auskunft nach Art. 15 DSGVO verlangt hatte. Kurz nach der Geltendmachung des Auskunftsanspruchs kündigte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer aus betrieblichen Gründen.
Im anschließenden Kündigungsschutzverfahren schlossen die Parteien einen Beendigungsvergleich, in welchem es unter anderem hieß: „Mit Erfüllung des Vergleichs sind alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und dessen Beendigung, gleich ob bekannt oder unbekannt, gleich aus welchem Rechtsgrund, abgegolten mit Ausnahme der Arbeitspapiere.“ Eine datenschutzrechtliche Auskunft wurde nicht erteilt.
Aus diesem Grund wandte sich der Arbeitnehmer an die Datenschutzaufsichtsbehörde, die das Verwaltungsverfahren mit Verweis auf den arbeitsgerichtlichen Vergleich einstellte. Gegen diese Entscheidung klagte der Arbeitnehmer vor den Verwaltungsgerichten – ohne Erfolg.
Sowohl Verwaltungsgericht als auch OVG bestätigten die Einstellung des Verwaltungsverfahrens. Nach Auffassung der Gerichte war der Auskunftsanspruch durch den arbeitsgerichtlichen Vergleich erledigt. Zwar träfen die DSGVO und deren Erwägungsgründe selbst keine Aussage über die Möglichkeit eines Verzichts auf die in der DSGVO niedergelegten Rechte. Dennoch sei – jedenfalls nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses – ein privatautonomer Ausschluss des Auskunftsanspruchs möglich. Das OVG begründete dies damit, dass diese Möglichkeit bereits aus dem Wesen des Datenschutzrechts selbst folge. Der DSGVO liege unter anderem das Konzept der Disposition über das Niveau des Datenschutzes zugrunde. So stehe es dem Betroffenen zu, in die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten einzuwilligen. Das Konzept der Einwilligung sei ein Grundpfeiler des Datenschutzes. Aus diesem Grund liege es nahe, dass auch ein selbstbestimmter Verzicht auf den Auskunftsanspruch möglich sein müsse. Einschränkend stellte das OVG klar, dass ein Verzicht auf den Auskunftsanspruch für die Zukunft nicht möglich sei.
Bislang ist nicht abschließend geklärt, ob der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO privatautonom abbedungen werden und daher Inhalt einer Erledigungsklausel im arbeitsgerichtlichen Vergleich sein kann. Höchstrichterliche Rechtsprechung fehlt zu dieser Frage.
Teilweise geht die Literatur von einer grundsätzlichen Unverzichtbarkeit des Anspruchs aus. Als Begründung wird angeführt, dass Art. 15 DSGVO die einfachgesetzliche Ausgestaltung des Grundrechts auf Auskunft aus Art. 8 Abs. 2 S. 2 Grundrechte-Charta sei. Auf ihn könne nicht wirksam verzichtet werden, weil der Auskunftsanspruch wesentliches Element des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung sei.
Dem wird – zu Recht – entgegengehalten, dass die DSGVO und ihre Erwägungsgründe eine Unabdingbarkeit des Auskunftsanspruchs gerade nicht anordnen. Berücksichtigt man darüber hinaus, dass das Konzept der Disposition über die Rechte der DSGVO weder der DSGVO noch der Grundrechte-Charta fremd ist, sprechen Systematik und Sinn und Zweck der Verordnung – jedenfalls grundsätzlich – nicht gegen eine Abdingbarkeit. Zu Recht weist das OVG darauf hin, dass die Möglichkeit einer Einwilligung auch in Art. 8 Abs. 2 S. 1 Grundrechte-Charta selbst vorgesehen ist. Jedenfalls wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist, ist daher – so auch das OVG – ein Verzicht auf den Auskunftsanspruch möglich.
Nicht zu entscheiden hatte das OVG, ob ein Verzicht auf den Auskunftsanspruch auch mit Wirkung für die Zukunft möglich ist. Das OVG wies jedoch darauf hin, dass einiges dafür spreche, dass der Auskunftsanspruch für die Zukunft unabdingbar sei, weil sonst die Gefahr bestünde, dass dieser nicht effektiv durchgesetzt werden könnte und letztlich leerliefe.
Für Arbeitgeber gewinnt die Frage an Bedeutung, ob ein arbeitsgerichtlicher Vergleich auch datenschutzrechtliche Ansprüche miterledigt. Das OVG Saarlouis hat nun klargestellt: Eine allgemeine Abgeltungsklausel kann – bei entsprechender Ausgestaltung – auch den Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO erfassen.
Vorsichtige Arbeitgeber sollten dennoch eine ausdrückliche Erledigung – ggf. auch mittels eines Tatsachenvergleichs – aufnehmen, um Rechtsklarheit zu schaffen. Wichtig ist: Neue Datenverarbeitungen nach Abschluss des Vergleichs können erneut Auskunftsansprüche auslösen.
Wie sich Arbeits- und Zivilgerichte sowie der EuGH zu dieser Frage künftig positionieren werden, bleibt abzuwarten. Die Entscheidung des OVG bringt jedoch ein Stück Rechtssicherheit.
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