8. Oktober 2024
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Die Festlegung von Zielen im Rahmen von Zielvereinbarungen und Zielvorgaben ist ein häufiges Thema in der arbeitsrechtlichen Praxis. Arbeitgeber, die variable Vergütungsmodelle an die Erreichung bestimmter Ziele knüpfen, sollten besonders auf die korrekte Umsetzung vertraglicher Regelungen achten. In einer aktuellen Entscheidung des BAG (Az.: 10 AZR 171/23) wurde der Arbeitgeber zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt, weil er seiner vertraglichen Pflicht zur Verhandlung einer Zielvereinbarung nicht ordnungsgemäß nachgekommen war.
Der Kläger, ein Arbeitnehmer in einer Führungsposition, hatte neben seinem Grundgehalt Anspruch auf eine erfolgsabhängige variable Vergütung (Tantieme). Im Arbeitsvertrag war festgehalten, dass die zu erreichenden Ziele zur Berechnung der Tantieme durch eine Zielvereinbarung zwischen den Parteien festgelegt werden sollten. Für den Fall, dass keine Einigung über die Ziele erreicht werden könne, sollte der Arbeitgeber berechtigt sein, diese einseitig im Rahmen billigen Ermessens festzulegen (Zielvorgabe).
Der Arbeitnehmer war seit Mai 2020 bei der Beklagten beschäftigt. Im Juni 2020 forderte er die Beklagte auf, Verhandlungen über eine Zielvereinbarung aufzunehmen. Nach einem kurzen Austausch lehnten beide Seiten die Vorschläge des jeweils anderen ab. Der Arbeitgeber übermittelte dem Kläger daraufhin einseitig festgelegte Zielvorgaben für das Jahr 2020. Der Arbeitnehmer verließ das Unternehmen Ende des Jahres 2020– eine Tantieme wurde ihm nicht ausgezahlt. Der Arbeitnehmer klagte daraufhin auf Schadensersatz wegen der ausgebliebenen Tantieme.
Das BAG entschied zugunsten des Arbeitnehmers und stellte fest, dass die Arbeitgeberin ihre Pflicht verletzt habe, eine Zielvereinbarung abzuschließen. Die Klausel im Arbeitsvertrag, die der Arbeitgeberin erlaubt hätte, bei Scheitern der Verhandlungen einseitige Zielvorgaben zu erlassen, sei unwirksam, da sie den Arbeitnehmer gemäß § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB unangemessen benachteilige. Dabei hob das Gericht hervor, dass der vorrangige vertragliche Anspruch auf eine Zielvereinbarung nicht durch einseitige Zielvorgaben unterlaufen werden dürfe. Eine solche Regelung würde es der Arbeitgeberin ermöglichen, Verhandlungen über die Zielvereinbarung grundlos abzubrechen und dadurch den Arbeitnehmer benachteiligen. Eine solche Klausel sei demnach unwirksam. Das Vorgeben von Zielvorgaben (einseitig durch den Arbeitgeber) sei laut Vertrag nur dann gewollt, wenn eine Zielvereinbarung nicht zustande kommt. Aufgrund der vertraglichen Ausgestaltung sei es der Arbeitgeberin jedoch möglich, durch die einseitige Festlegung von Zielen die Verhandlungen zu umgehen. Dies widerspreche dem vertraglich vereinbarten Vorrang der Zielvereinbarung.
Das BAG führte ferner aus, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf Augenhöhe verhandeln sollten und der Arbeitnehmer die Möglichkeit haben müsse, auf die Festlegung der Ziele Einfluss zu nehmen. Dies setze voraus, dass sich die Arbeitgeberin deutlich und ernsthaft zu Äderungen eines Vorschlags bereit erkläre.
Für Arbeitgeber ist es essenziell, die Verhandlungen über Zielvereinbarungen umfassend zu dokumentieren. Sollten sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht auf eine Zielvereinbarung einigen können, liegt die Beweislast für das ordnungsgemäße Vorgehen beim Arbeitgeber. Der Arbeitgeber muss nachweisen können, dass er seiner Verpflichtung zur Verhandlung über die Ziele nachgekommen ist und dass er das Scheitern der Zielvereinbarung nicht zu vertreten hat.
Der Arbeitgeber muss ferner auch nachweisen können, dass er bereit war, auf die Vorschläge des Arbeitnehmers einzugehen. Arbeitgeber sollten sicherstellen, dass sie im Rahmen der Verhandlungen über Zielvereinbarungen nicht nur formell, sondern auch inhaltlich auf die Vorstellungen des Arbeitnehmers eingehen und bereit sind, die Ziele gemeinsam auszuhandeln.
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