16. Juli 2025
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Personalabbau ist oft unvermeidbar – gerade in der aktuell angespannten wirtschaftlichen Lage. Doch nicht immer liegt die beste Lösung im scharfen Schwert betriebsbedingter Kündigungen. Vielmehr bietet ein sozialverträglicher Personalabbau viele Vorteile: Er vermeidet Konflikte, kann langfristig Kosten senken, erhält das Betriebsklima und schützt nicht zuletzt das Arbeitgeberimage. In diesem Newsletter stellen wir Ihnen daher alternative, fairere Ansätze vor, die sowohl den betrieblichen Notwendigkeiten als auch dem Prinzip sozialer Verantwortung gerecht werden.
Arbeitgeber sind verpflichtet, mit dem Betriebsrat einen Sozialplan abzuschließen, wenn der geplante Personalabbau eine Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG darstellt. Das ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts jedenfalls der Fall, wenn die geplanten Entlassungen die Schwellenwerte des § 17 Abs. 1 KSchG überschreiten. Ein Sozialplan enthält Regelungen zum Ausgleich oder zur Milderung der durch den Personalabbau entstehenden wirtschaftlichen Nachteile. Abfindungsregelungen bilden dabei in der Praxis meist das Kernstück. Häufig wird auch die Möglichkeit eines Wechsels in eine Transfergesellschaft vereinbart. Dabei wechseln die Mitarbeitenden direkt nach dem Ausscheiden in ein befristetes Arbeitsverhältnis mit der Transfergesellschaft, erhalten Transferkurzarbeitergeld und werden gezielt durch Qualifizierungs- und Vermittlungsangebote auf eine neue Beschäftigung vorbereitet.
Praxistipp: Arbeitgeber sollten vor den Verhandlungen mit dem Betriebsrat das verfügbare Sozialplanvolumen sorgfältig kalkulieren und genau festlegen, wie die Mittel eingesetzt werden sollen. Eine klare Linie in Kernfragen wie Abfindungshöhe und Transfermaßnahmen hilft, teure Überraschungen zu vermeiden und tragfähige Ergebnisse am Verhandlungstisch zu erzielen.
Auch Freiwilligenprogramme sind ein bewährtes Instrument, um einen Personalabbau sozialverträglich zu gestalten. Wie der Name schon sagt, erfolgt der Abbau dabei auf freiwilliger Basis – typischerweise über Aufhebungsverträge oder Vorruhestands- bzw. (Alters-)Teilzeitlösungen. Die Programme werden für gewöhnlich mit finanziellen Anreizen, insbesondere Abfindungen, kombiniert. Für Arbeitgeber bieten Freiwilligenprogramme gleich mehrere Vorteile: Insbesondere vermeiden sie die für betriebsbedingte Kündigungen gesetzlich vorgeschriebene Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG. Auch schützen Freiwilligenprogramme das Betriebsklima sowie das Unternehmensimage. Ein weiterer Vorteil liegt darin, dass Arbeitgeber den mit Kündigungen verbundenen Risiken und Kosten, insbesondere aus Kündigungsschutzprozessen, entgehen. Freiwilligenprogramme können entweder isoliert eingesetzt werden, einen Personalabbau durch betriebsbedingte Kündigungen flankieren oder als vorgeschaltete Maßnahme dazu dienen, die Zahl erforderlicher Kündigungen zu verringern.
Praxistipp 1): Wichtig ist es, mit einem Freiwilligenprogramm gezielt die „richtigen“ Mitarbeiter zu erreichen und gleichzeitig unerwünschte Abgänge, etwa von Leistungsträgern, zu vermeiden. Hier helfen selektive Angebotsverfahren oder Sperr- bzw. Negativlisten. Empfehlenswert ist außerdem das Prinzip der „doppelten Freiwilligkeit“: Der Arbeitgeber behält sich vor, im Einzelfall zu entscheiden, ob er mit einem ausscheidungswilligen Mitarbeiter tatsächlich einen Aufhebungsvertrag abschließt.
Praxistipp 2): Das Freiwilligenprogramm muss zwingend in einem Interessenausgleich und Sozialplan mit dem Betriebsrat verhandelt werden, wenn der Stellenabbau wegen Überschreiten der Schwellenwerte des § 17 KSchG eine Betriebsänderung nach § 111 BetrVG darstellt. Aber auch wenn bei kleineren Vorhaben die Schwellenwerte des § 17 KSchG nicht erreicht werden, ist eine frühzeitige Einbindung des Betriebsrats oft sinnvoll. Denn im Einvernehmen ausgearbeitete Programme stoßen in der Belegschaft meist auf deutlich höhere Akzeptanz.
Praxistipp 3): Werden durch ein Freiwilligenprogramm die Schwellenwerte des § 17 KSchG erreicht, kann auch diesbezüglich eine Pflicht zur Erstattung einer Massenentlassungsanzeige bestehen. Das gilt insbesondere, wenn einzelne Arbeitnehmer gezielt zur Teilnahme auffordert werden. Wer in einem solchen Fall ohne eine Massenentlassungsanzeige vorgeht, riskiert die Unwirksamkeit sämtlicher Aufhebungsverträge. Unser Rat: Die Kommunikationsstrategie frühzeitig mit Bedacht und rechtlichem Beistand planen.
Sollte die wirtschaftliche Lage einen längerfristigen Personalabbau ermöglichen, kann auch auf ein „natürliches Auslaufenlassen“ gesetzt werden. Befristete Verträge werden dabei nicht verlängert, und freiwerdende Stellen – etwa durch arbeitnehmerseitige Kündigungen oder Renteneintritte – werden nicht nachbesetzt. Diese Form des Personalabbaus nutzt die natürliche Fluktuation im Unternehmen, vermeidet Kündigungen und schont das Betriebsklima.
Abschließender allgemeiner Praxistipp: Insgesamt empfiehlt sich eine frühzeitige Planung des Personalabbaus. Denn wer frühzeitig plant und dabei ggf. auch Rechtsberatung einholt, dem stehen die meisten Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung – insbesondere auch ein sozialverträglicher Stellenabbau. Wer hingegen erst spät auf wirtschaftliche Krisen reagiert, dem bleibt als letzte Konsequenz oft nur die „Kosten-Notbremse“ durch betriebsbedingte Kündigungen.
Mit Unterstützung unseres wissenschaftlichen Mitarbeiters Christian Zander
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