30. Juni 2025
Digital Health 360° – 4 von 38 Insights
Viele DiGA-Anbieter sehen sich derzeit mit hohen Rückforderungsansprüchen konfrontiert. Der nachfolgende Beitrag geht der Frage nach, wann und unter welchen Voraussetzungen diese Rückforderungsansprüche insolvenzrechtlich zu beachten sind.
Zunächst gilt es aber zu aufzuarbeiten, was der Hintergrund der Rückforderungsansprüche ist. Hierbei ist zwischen dem Herstellerpreis und dem Vergütungsbetrag zu unterscheiden.
Eine DiGA (Digitale Gesundheitsanwendung) ist eine App oder Software, die Patienten dabei unterstützt, Krankheiten zu erkennen, zu überwachen, zu behandeln oder deren Auswirkungen zu lindern. Diese Anwendungen können beispielsweise dazu dienen, die Therapie von chronischen Erkrankungen zu unterstützen oder präventive Maßnahmen zu fördern. Sie müssen bestimmte Anforderungen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erfüllen, um gelistet und erstattungsfähig zu sein.
Die gesetzliche Grundlage für DiGAs in Deutschland bildet das Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG), das Ende 2019 in Kraft getreten ist. Das DVG ermöglicht es Ärzten und Psychotherapeuten, DiGAs auf Rezept zu verschreiben. Die Kosten hierfür werden von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen.
Der Herstellpreis gilt bis zu zwölf Monaten nach Listung der DiGA. Die Vergütung erfolgt hierbei zunächst nach dem tatsächlichen Preis des Herstellers. Dieser Preis wird durch Schwellenwerte und Höchstbetragsregelungen gedeckelt.
Höchstbeträge werden für Gruppen vergleichbarer digitaler Gesundheitsanwendungen auch in Abhängigkeit davon festgelegt, ob und inwieweit der Nachweis positiver Versorgungseffekte erbracht worden ist. DiGAs gelten als vergleichbar – und damit einer gemeinsamen Gruppe angehörig – wenn sie für die gleiche Indikation anwendbar sind und die gleiche Art des positiven Versorgungseffekts (entweder medizinischer Nutzen oder patientenrelevante Struktur und Verfahrensverbesserung) aufweisen.
DiGA-Hersteller haben die Möglichkeit, ihren Herstellerpreis einmalig im Verlauf von 12 Monaten anzupassen.
Gemäß dem GKV-Spitzenverband beträgt der Durchschnittspreis für den Herstellpreis für eine DiGA am 30. September 2023 ca. 593 Euro.
Die Vergütung erfolgt 13 Monaten nach Aufnahme der DiGA in das Verzeichnis für digitale Gesundheitsanwendungen. Das gilt unabhängig davon, ob die Aufnahme dauerhaft oder (noch) zur Erprobung erfolgt.
Der Vergütungsvertrag erfolgt nach der Vereinbarung zwischen den Herstellern und dem Spitzenverband Bund für Krankenkassen („GKV-SV“). Die Vergütung der DiGA soll basierend auf deren Mehrwert für den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen verhandelt werden. Gegenstand der Vereinbarung sollen auch erfolgsabhängige Preisbestandteile sein.
Kommt keine Preiseinigung zwischen Hersteller und GKV-SV innerhalb der Preisverhandlungen zustande (spätestens bis neun Monate nach Aufnahme der DiGA in das DiGA-Verzeichnis), legt die Schiedsstelle innerhalb von drei weiteren Monaten den Vergütungsbetrag fest (§ 134 SGB V). Die Schiedsstelle hat hierfür ein weitestgehend nachvollziehbares Preisbemessungsmodell entwickelt, das auf die Kosten einer vergleichbaren GKV-Versorgung im jeweiligen Anwendungsgebiet referenziert.
Der Vergütungsbetrag beträgt aktuell durchschnittlich ca. 221 EUR.
Bis zu einer Einigung mit dem GKV-SV bzw. dem Schiedsspruch kann der Hersteller weiter den Herstellerpreis verlangen. Sollte der Vergütungsbetrag aber geringer sein als der Herstellerpreis, sind ab dem 13. Monat zu viel vereinnahmte Einnahmen zurückzuzahlen.
Dies führt dazu, dass einige der Hersteller nach Festlegung des Vergütungsbetrags mit hohen Rückforderungsansprüchen konfrontiert sind.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, was der Hersteller insolvenzrechtlich zu beachten hat.
Geschäftsführer und Vorstände haben fortlaufen zu prüfen, ob eine Gesellschaft insolvenzantragspflichtig ist. Wird ein Insolvenzantrag zu spät gestellt, kann das strafrechtliche Konsequenzen haben und eine zivilrechtliche Haftung nach sich ziehen.
Um eine Zahlungsunfähigkeit auszuschließen, muss der DIGA-Anbieter gemäß § 17 InsO in der Lage sein, seine fälligen Verbindlichkeiten zu erfüllen. Kann er dies auch unter Berücksichtigung berechtigter Rückforderungsansprüche, scheidet eine Zahlungsunfähigkeit aus. Ist der DIGA-Anbieter hierzu nicht in der Lage, ist im Einzelfall zu prüfen, ob nur eine Zahlungsstockung oder tatsächlich eine Zahlungsunfähigkeit vorliegt.
Selbst wenn eine Zahlungsunfähigkeit im Ergebnis zu verneinen ist, muss sich die Geschäftsleitung damit befassen, ob der DIGA-Anbieter rechtlich überschuldet im Sinne von § 19 InsO ist. Eine rechtliche Überschuldung scheidet aus, wenn der DIGA-Anbieter eine positive Fortbestehensprognose hat. Hierzu hat die Geschäftsleitung eine aus dem Business-Plan abgeleitete Liquiditätsplanung aufzustellen, in der berechtige Rückforderungsansprüche berücksichtigt sind. Nur wenn der DIGA-Anbieter in den nächsten zwölf Monaten mit überwiegender Wahrscheinlichkeit durchfinanziert ist, kann eine positive Fortbestehensprognose angenommen werden. Führen berechtigte Rückforderungsansprüche hingegen dazu, dass eine Durchfinanzierung nicht mehr überwiegend wahrscheinlich ist, muss die Geschäftsleitung unverzüglich Maßnahmen zur Stärkung der Liquiditätslage ergreifen. Ist eine Durchfinanzierung in den kommenden zwölf Monaten gleichwohl nicht überwiegend wahrscheinlich, muss die Geschäftsleitung zu Vermeidung von strafrechtlichen und zivilrechtlichen Konsequenzen unverzüglich Insolvenzantrag stellen.
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