Die Bundesregierung hat am 16. August 2023 den Gesetzentwurf zur Stärkung des Justizstandortes Deutschland durch Einführung von Commercial Courts und der Gerichtssprache Englisch in der Zivilgerichtsbarkeit vorgestellt. Neben der Möglichkeit der Einrichtung von „Commercial Courts“ als neue Spruchkörper bei den Oberlandesgerichten mit Verfahrenssprache Englisch enthält der Gesetzentwurf auch eine erwähnenswerte und praxisrelevante Regelung zur Geheimhaltung in Zivilprozessen, den neuen § 273a ZPO.
Was regelt der neue § 273a ZPO?
Dem Gesetzgeber sind die derzeitigen Regelungslücken zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen – im Nachfolgenden auch noch einmal kurz skizziert –bewusst. Diese sollen nun mit dem neuen § 273a ZPO geschlossen werden, auch mit dem Ziel, den Justizstandort Deutschland im internationalen Vergleich attraktiver zu machen.
Der zu diesem Zweck neu in die Zivilprozessordnung einzufügende § 273a ZPO soll wie folgt lauten:
§ 273a – Geheimhaltung
Das Gericht kann auf Antrag einer Partei streitgegenständliche Informationen ganz oder teilweise als geheimhaltungsbedürftig einstufen, wenn diese ein Geschäftsgeheimnis nach § 2 Nummer 1 des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen sein können; die §§ 16 bis 20 des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen sind entsprechend anzuwenden.
Die Vorschriften des GeschGehG sollen künftig ausdrücklich auch im Rahmen sämtlicher Zivilverfahren vor den Amts-, Land- und Oberlandesgerichten Anwendung finden und so einen umfassenden verfahrensrechtlichen Schutz von Geschäftsgeheimnissen und deren Fortbestand trotz Offenlegung ermöglichen. In Zukunft könnten Parteien damit von folgenden prozessualen Schutzwirkungen auch in Zivilverfahren abseits der Geschäftsgeheimnisstreitsachen profitieren:
- Nach § 16 Abs. 2 GeschGehG können auf Antrag der Parteien Informationen durch das Gericht als ganz oder teilweise geheimhaltungsbedürftig eingestuft werden, wobei eine entsprechende Glaubhaftmachung der jeweiligen Partei ausreicht. Damit kann zum einen der Geheimhaltungsschutz in Zivilprozessen bereits deutlich früher als bisher greifen. Zum anderen ist der Geheimnisträger im Rahmen dieser Vorschriften zukünftig auch umfassender geschützt als bisher durch die Vorschriften des GVG, denn die Vorschrift schützt nicht nur vor Offenlegung, sondern verbietet insbesondere auch die Nutzung geheimhaltungsbedürftiger Informationen.
- Dieser Schutz des § 16 Abs. 2 GeschGehG erstreckt sich dabei nach § 18 GeschGehG auch auf den Zeitraum nach Abschluss des mündlichen Verfahrens.
- Bei Zuwiderhandlungen drohen gem. § 17 GeschGehG Ordnungsmittel im Rahmen eines Ordnungsgelds bis zu 100.000 Euro oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten.
- Nicht zuletzt ermöglicht § 19 GeschGehG weitere gerichtliche Beschränkungen, wie die Beschränkung des Zugangs oder den Ausschluss der Öffentlichkeit.
Wie werden Geschäftsgeheimnisse nach derzeitiger Rechtslage geschützt?
Schon nach derzeitiger Rechtslage bestehen in gewissen Fällen Möglichkeiten der Geheimhaltung im Zivilprozess - allerdings bieten diese nur einen bedingten und sehr lückenhaften Schutz und gefährden damit den Bestand des offengelegten Geschäftsgeheimnisses. Nachfolgend ein kurzer Überblick über die bereits bestehenden Möglichkeiten:
- §§ 172 Nr. 2, 174 Abs. 2 GVG
Insbesondere die §§ 172 Nr. 2, 174 Abs. 2 GVG bieten zwar eine Möglichkeit eines partiellen Ausschlusses einer Partei oder der Öffentlichkeit von der mündlichen Verhandlung für den Fall, dass ein wichtiges Geschäfts-, Betriebs-, Erfindungs- oder Steuergeheimnis zur Sprache kommt, durch dessen öffentliche Erörterung überwiegende schutzwürdige Interessen verletzt würden.
Einen ausreichenden Schutz bieten diese Vorschriften jedoch nicht: Insbesondere fehlt eine Möglichkeit des Schutzes der Geschäftsgeheimnisse im Vorfeld der mündlichen Verhandlung. Damit bieten sie keinerlei Schutz für schriftlich bzw. als Beweismittel vorgetragene Geschäftsgeheimnisse. Parteien müssen sich nach derzeitiger Rechtslage daher entscheiden, ob sie eine Zurückweisung des Vorbringens aufgrund einer Präklusion riskieren oder ihr Geschäftsgeheimnis ungeschützt offenlegen wollen. Überdies erfassen die vorgenannten Vorschriften ohnehin nicht die eigene Nutzung des erlangten Wissens – die offenlegende Partei riskiert also eine Nutzung Wissens durch die Gegenseite.
- §§ 16 bis 20 GeschGehG
Seit Einführung des GeschGehG besteht mit den Vorschriften der §§ 16 bis 20 GeschGehG zwar, wie vorstehend bereits dargestellt, ein umfassender Schutz der offengelegten Geschäftsgeheimnisse. Allerdings gelten diese umfassenden Vorschriften aktuell ausschließlich für Geschäftsgeheimnisstreitsachen und beschränken sich damit auf Ansprüche aus dem GeschGehG. Eine analoge Anwendung auf andere Zivilverfahren wird vielfach diskutiert, entspricht aber nicht der Rechtsprechungspraxis.
Praxishinweis
Die neue Regelung des § 273a ZPO könnte in Zukunft einen umfassenderen Schutz von Geschäftsgeheimnissen in allen Zivilverfahren bieten und somit den Diskussionen um eine analoge Anwendung der Vorschriften aus dem Geschäftsgeheimnisgesetz ein Ende bereiten. Geschäftsgeheimnisse wären auch in Verfahren außerhalb des GeschGehG wirksam geschützt. Die Einführung des § 273a ZPO geht damit die vorhandenen Regelungslücken an und ist aus unserer Sicht begrüßenswert. Wir beobachten die weitere Entwicklung für Sie und halten Sie auf dem Laufenden.