(EuGH, Urteil vom 28.9.2023, Rs. C-133/22 – LACD)
Ist eine „Zufriedenheitsgarantie“ eine Garantie im Sinne der Europäischen Richtlinien, insbesondere der Verbraucherrechterichtlinie, mit der Folge, dass Verbrauchern eine Garantieerklärung zur Verfügung gestellt werden muss und darüber hinaus weitere Informationspflichten bestehen können?
Auf diese Frage hat der Bundesgerichtshof (BGH) im Februar 2022 in einem Vorlageverfahren dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) gestellt – und mit Urteil vom 28.09.2023 (Rs. C-133/22 - LACD) nun eine eindeutige Antwort erhalten: Nach Auffassung des EuGH fällt auch eine „Zufriedenheitsgarantie“ unter den Begriff der „Gewerblichen Garantie“ des Art. 2 Nr. 14 der Richtlinie 2011/83, der sog. Verbraucherrechterichtlinie. Die Vorschrift sehe keine Ausnahme vor und auch die Tatsache, dass subjektive Kriterien wie im konkreten Fall die Zufriedenheit objektiv nicht überprüft werden können, ändere daran nichts. Demzufolge sei auch eine „Zufriedenheitsgarantie“ geeignet, Informationspflichten der Hersteller sowie unter Umständen der beteiligten Händler auszulösen.
Worum ging es im Ausgangsrechtsstreit?
Über das Ausgangsverfahren und den Vorlagebeschluss des BGH hatten wir in unserem Newsletter Marke-Design-Wettbewerb vom 26. April 2022 bereits berichtet (siehe unser Insight hier).
Gegenstand der Vorlagefrage sind T-Shirts, die über Einzel- und Onlinehändler in den Verkehr gebracht werden. An den T-Shirts waren Hängeetiketten, sog. Hang-Tags, mit folgendem Text angebracht:
„LACD-Garantie - Jedes LACD-Produkt ist mit unserer eigenen lebenslangen Garantie ausgestattet. Wenn Sie mit einem unserer Produkte nicht voll und ganz zufrieden sind, schicken Sie es bitte an den Händler zurück, bei dem Sie es erworben haben. Sie können es auch direkt an LACD zurückschicken, aber vergessen Sie nicht, uns mittzuteilen, wo und wann Sie es gekauft haben.“
Weitere Informationen, wie z.B. ein räumlicher Geltungsbereich der Garantie, sonstige Rechte der Verbraucher etc., enthielten die Hang-Tags nicht.
Eine Mitbewerberin beanstandete diese „Zufriedenheitsgarantie“, weil nach ihrer Auffassung die inhaltlichen Voraussetzungen an eine Garantieerklärung gem. § 479 BGB nicht eingehalten worden waren. Die erstinstanzliche Klage wurde abgewiesen, in der Berufung schloss sich das OLG München der Meinung der Klägerin an und vertrat die Auffassung, dass die in Streit stehende Erklärung eine Garantie i.S.d. § 443 BGB darstelle und daher die Voraussetzungen des § 479 BGB einzuhalten seien. Der BGH setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH zwei Fragen vor:
- Kann eine andere als die Mängelfreiheit betreffende Anforderung im Sinne von Art. 2 Nr. 14 der Richtlinie 2011/83 und eine andere nicht mit der Vertragsmäßigkeit verbundene Anforderung im Sinne von Art. 2 Nr. 12 der Richtlinie 2019/771 vorliegen, wenn die Verpflichtung des Garantiegebers an in der Person des Verbrauchers liegende Umstände, insbesondere an seine subjektive Haltung zur Kaufsache (hier: die in das Belieben des Verbrauchers gestellte Zufriedenheit mit der Kaufsache) anknüpft, ohne dass diese persönlichen Umstände mit dem Zustand oder den Merkmalen der Kaufsache zusammenhängen müssen?
- Für den Fall, dass Frage 1 bejaht wird: Muss das Fehlen von Anforderungen, die sich auf in der Person des Verbrauchers liegende Umstände (hier: seine Zufriedenheit mit den erworbenen Waren) gründen, anhand objektiver Umstände feststellbar sein?
Was antwortet der EuGH?
Nach Auffassung des EuGH ist der Begriff der Garantie auch wegen der Bedeutung eines hohen Verbraucherschutzniveaus weit auszulegen. Er stellt zunächst fest, dass der Wortlaut des Art. 2 Nr. 14 der Richtlinie 2011/83 nichts enthalte, was es erlaube, den Garantiegeber von seinen Verpflichtungen auszunehmen – auch, wenn sich die Garantie wie vorliegend auf ein subjektives Kriterium, nämlich die Zufriedenheit des Verbrauchers mit der erworbenen Ware, beziehe. Denn die vorgenannte Bestimmung beziehe sich auf „jede Verpflichtung“ eines Garantiegebers, die zusätzlich zur gesetzlichen Gewährleistung eingegangen wird. Hierunter fielen aber nicht nur objektive Erwägungen im Zusammenhang mit den Merkmalen oder Eigenschaften einer Ware, sondern auch die Nichterfüllung von subjektiven Erwartungen des Verbrauchers an die erworbene Ware. Demzufolge sei Art. 2 Nr. 14 der Richtlinie 2011/83 dahingehend auszulegen, dass der Begriff „Gewerbliche Garantie“ auch eine Garantiegewährung eines Unternehmens umfasse, die sich auf die „Zufriedenheit des Verbrauchers mit der erworbenen Ware“ beziehe. Dass die Zufriedenheit als subjektives Empfinden objektiv nicht überprüft werden kann, sei unschädlich. Folglich gehöre die Erteilung der Informationen über die Garantie zu den Pflichten, die die vorvertraglichen Informationen des betreffenden Verbrauchers sicherstellen sollen.
Praxishinweis
Diese äußerst praxisrelevante Entscheidung des EuGH hat weitreichende Folgen für Unternehmen: So ist nun klar, dass nicht nur die üblichen Beschaffenheits- bzw. Haltbarkeitsgarantien den gesetzlichen Informationspflichten unterliegen, sondern auch andersartige Garantien, sogar Garantien mit subjektiver Färbung wie vorliegend etwa eine „Zufriedenheitsgarantie“. Für Unternehmen ergibt sich damit die gesetzliche Verpflichtung gem. § 479 Abs. 2 BGB, den Verbrauchern die Garantiebedingungen spätestens mit der Lieferung der Ware auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung zu stellen:
- Im stationären Handel müsste demzufolge die Garantieerklärung als (Papier-)Beilage den Waren beigefügt oder aber auf der Verpackung abgedruckt werden. Ein QR-Code würde die gesetzlichen Verpflichtungen nur dann erfüllen, wenn es sich dabei um einen „dauerhaften Datenträger“ i.S. d. § 479 Abs. 2 BGB handeln würde. Diese Frage ist derzeit offen und muss von der Rechtsprechung erst geklärt werden (siehe dazu auch unser Insight vom Juni 2022).
- Onlinehändler wären im Anschluss an die BGH-Entscheidung „Herstellergarantie IV“ aus dem November 2022 (Urteil vom 10.11.2022, I ZR 241/19) ebenfalls verpflichtet, vorvertraglich über die Garantiebedingungen zu informieren. Dies jedenfalls dann, wenn sie die herstellerseitig ausgelobte Garantie zum zentralen oder entscheidenden Merkmal ihres Angebots machen, indem sie die Herstellergarantie beispielsweise prominent in der Angebotsbeschreibung hervorheben. In diesem Fall müssten die herstellerseitigen Garantiebedingungen auf der (Online-)Angebotsseite vorgehalten werden. Zudem müssten die herstellerseitigen Garantiebedingungen (Garantieerklärung) auf einem „dauerhaften Datenträger“ der Warensendung beigefügt sein (entweder in der Produktverpackung oder als Beipackzettel im Versandkarton).
Da ein Verstoß gegen die gesetzlich vorgeschriebenen Informationspflichten Unterlassungsansprüche auslösen kann, sollten Unternehmen Verbrauchern auch bei „Zufriedenheitsgarantien“ daher ab sofort bei jedem Kauf eine Garantieerklärung zur Verfügung stellen, die alle gesetzlich vorgeschriebenen Informationen enthält.