9. Oktober 2025
Veröffentlichungsreihe – 2 von 15 Insights
Co-Autor: Pengcheng Zhou
China hat einen weiteren entscheidenden Schritt unternommen, um seine Dominanz auf dem globalen Markt für Seltene Erden zu festigen. Am 9. Oktober 2025 veröffentlichte das Handelsministerium (MOFCOM) zwei neue regulatorische Mitteilungen, die den Anwendungsbereich des chinesischen Exportkontrollregimes erheblich erweitern. Die Maßnahmen erfassen nun nicht mehr nur den Export der Metalle selbst, sondern auch eine Vielzahl nachgelagerter Materialien, Komponenten und technischer Verfahren.
Kurz darauf gaben das MOFCOM und die chinesische Zollverwaltung vier weitere Bekanntmachungen (Nr. 55–58 / 2025) heraus, die am 8. November 2025 in Kraft treten. Diese erweitern Chinas Exportkontrollen auf superharte Materialien, Anlagen und Rohstoffe zur Verarbeitung Seltener Erden, mittel- und schwer-seltene Erden sowie Materialien für Lithium-Batterien und künstliche Graphit-Anoden.
Faktisch kontrolliert China damit nicht mehr nur den Export der eigentlichen Rohstoffe, sondern auch die vorgelagerten und nachgelagerten Produktionsstufen – von Maschinen und Chemikalien bis hin zu Technologien zur Verarbeitung und Anwendung dieser Stoffe. Für europäische Unternehmen – insbesondere aus den Bereichen Verteidigung, Medizintechnik, Halbleiter und High-Tech-Fertigung – bedeutet dies ein zunehmend komplexes regulatorisches Umfeld, längere Lieferzeiten und die Notwendigkeit, Verträge, Prozesse und Compliance-Systeme grundlegend zu überprüfen.
Das ursprüngliche Regime umfasste sieben zentrale Elemente – Samarium, Gadolinium, Terbium, Dysprosium, Lutetium, Scandium und Yttrium – einschließlich ihrer Oxide, Legierungen und Verbindungen. Zudem wurden bereits verarbeitete Produkte wie Samarium-Kobalt-Magnete, Neodym-Eisen-Bor-Magnete mit Terbium- oder Dysprosium-Anteil sowie sogenannte „Sputtering Targets“ für Beschichtungs- und Sensortechnologien erfasst.
Die neuen MOFCOM-Bekanntmachungen Nr. 55 bis 58 erweitern diesen Rahmen deutlich:
Diese vier Maßnahmen machen deutlich, dass sich Chinas Exportkontrollrahmen inzwischen weit über Seltene Erden hinaus auf Dual-Use-Materialien und -Technologien erstreckt, die für zahlreiche strategische Industrien von zentraler Bedeutung sind.
Zur praktischen Umsetzung der Vorschriften hat das MOFCOM ein verpflichtendes „Compliance Notice“-System eingeführt. Jeder Exporteur oder Lieferant von gelisteten Materialien muss seinem jeweiligen Abnehmer eine Erklärung übergeben, in der Herkunft und Anteil der kontrollierten Stoffe sowie mögliche Genehmigungspflichten bei Weiterexporten offengelegt werden. Nachgelagerte Abnehmer sind verpflichtet, diese Nachweise zu archivieren und an ihre eigenen Kunden weiterzugeben.
Ziel des Mechanismus ist die vollständige Rückverfolgbarkeit des Materialflusses über die gesamte Liefer- und Wertschöpfungskette hinweg. Die Verpflichtung ersetzt jedoch keine eigene Sorgfaltspflicht: Jeder Exporteur oder Hersteller bleibt eigenständig dafür verantwortlich, zu prüfen, ob seine Produkte unter das chinesische Exportkontrollrecht fallen und ggf. eine Genehmigung einzuholen.
Darüber hinaus wurde die sogenannte „0,1-Prozent-Regel“ eingeführt: Enthält ein im Ausland hergestelltes Produkt chinesische Seltene Erden im Wert von mehr als 0,1 % des Gesamtwerts pro einzeln nutzbare Einheit, kann auch dessen Weiterexport in ein Drittland einer Genehmigungspflicht durch das MOFCOM unterliegen. Diese bislang beispiellose extraterritoriale Komponente verdeutlicht Pekings Anspruch, die Kontrolle über den Einsatz und die Weiterverarbeitung chinesischer Materialien auch über die eigenen Landesgrenzen hinaus aufrechtzuerhalten.
In der offiziellen Erläuterung zu den neuen Maßnahmen betonte ein MOFCOM-Sprecher, dass die gelisteten Stoffe und Technologien „dual-use“ seien – also sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden könnten – und dass die Maßnahmen mit internationalen Exportkontrollstandards vereinbar seien. Ziel sei es, „die nationale Sicherheit zu wahren und Nichtverbreitungsverpflichtungen zu erfüllen“. Zugleich wurde betont, dass ordnungsgemäße Exportanträge genehmigt würden und China bereit sei, „rechtmäßigen Handel über bilaterale Dialogmechanismen zu fördern und zu erleichtern“.
Über diese formalen Aussagen hinaus ist der strategische Zweck klar: Mit rund 90 % der weltweiten Raffinierungskapazitäten verfügt China über eine marktbeherrschende Stellung. Durch die Verknüpfung von Seltenen Erden, superharten Materialien und Batterierohstoffen innerhalb eines einheitlichen Exportkontrollrahmens stärkt die Regierung ihren Einfluss auf Schlüsselindustrien der Energiewende, der Halbleiterproduktion und der Verteidigungstechnologie – und unterstreicht zugleich ihren Anspruch auf regulatorische Souveränität bei Dual-Use-Gütern.
Für europäische Hersteller sind die Folgen unmittelbar spürbar. Produkte, die chinesische Seltene Erden oder Batteriematerialien enthalten, müssen künftig eindeutig dokumentieren, woher diese Bestandteile stammen und in welchem Umfang sie enthalten sind. Dies erhöht den administrativen Aufwand erheblich und kann Lieferungen verzögern, da Exportgenehmigungen in der Regel bis zu 45 Arbeitstage dauern. Das Anlegen von Lagerbeständen ist keine praktikable Lösung, da das MOFCOM für jede Lieferung den Endverwendungs- und Endnutzer-Nachweis verlangt.
Aus vertraglicher und rechtlicher Sicht werfen Verzögerungen durch Exportkontrollen schwierige Fragen auf. Klassische Force-Majeure-Klauseln decken politische Exportmaßnahmen oft nicht ab – eine Überprüfung und Anpassung bestehender Liefer- und Rahmenverträge ist daher dringend anzuraten.
Auch im M&A-Bereich hat sich das Thema zu einem wesentlichen Bewertungsfaktor entwickelt: Käufer verlangen zunehmend detaillierte Offenlegung zur Abhängigkeit von chinesischen Vorprodukten und vereinbaren Earn-Out- oder Rücktrittsrechte, die an die Versorgungssicherheit gekoppelt sind.
Über die juristische Dimension hinaus sind bereits operative Auswirkungen zu beobachten: Zahlreiche Hersteller in Europa und Asien mussten ihre Produktion vorübergehend unterbrechen, Mitarbeitende in „produktionsbedingten Zwangsurlaub“ schicken oder zusätzliche Schichten einplanen, um Lieferverzögerungen auszugleichen. Damit reichen die wirtschaftlichen und personellen Effekte weit über das klassische Compliance-Thema hinaus.
Auf europäischer Ebene hat die Europäische Kommission einen Koordinierungsmechanismus eingerichtet, um dringende Genehmigungsfälle betroffener Unternehmen zu erfassen und im Rahmen bilateraler Gespräche mit den chinesischen Behörden zu bündeln. Obwohl dies den Austausch strukturieren soll, bleibt die Abhängigkeit Europas von chinesischen Raffinerie- und Magnetkapazitäten erheblich.
Die neuen MOFCOM-Maßnahmen verdeutlichen die Dringlichkeit, die Umsetzung des Critical Raw Materials Act zu beschleunigen, Recycling- und Lagerkapazitäten aufzubauen und strategische Partnerschaften mit rohstoffreichen Staaten auszubauen. Eine enge Verzahnung von Handels-, Sicherheits- und Industriepolitik wird entscheidend sein, um die strategische Autonomie Europas langfristig zu sichern.
Taylor Wessing berät europäische und internationale Unternehmen in allen Fragen des chinesischen Exportkontrollrechts. Gemeinsam mit unserem China-Team in Peking und Shanghai unterstützen wir Sie bei der Vorbereitung und Koordinierung von MOFCOM-Genehmigungsanträgen, bei der Überprüfung und Anpassung von Vertragsklauseln (insbesondere Force-Majeure- und Risikoallokationsregelungen) sowie bei der Implementierung von Compliance-Prozessen, die sowohl den EU- als auch den chinesischen Vorgaben entsprechen.
Unsere interdisziplinären Teams verbinden Expertise in Außenwirtschaftsrecht, Corporate / M&A, Handels- und Verteidigungsregulierung mit tiefem Branchenwissen in den Bereichen Aerospace & Defence sowie Life Sciences.
Ganz gleich, ob Ihr Unternehmen kritische Rohstoffe bezieht, in einem regulierten Umfeld produziert oder eine grenzüberschreitende Transaktion plant – wir helfen Ihnen, rechtliche Klarheit, operative Stabilität und wirtschaftliche Handlungsfähigkeit sicherzustellen.
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