Stand der Green-Claims-Richtlinie
Die Green-Claims-Richtlinie zur Förderung transparenter Nachhaltigkeitskommunikation befindet sich seit Ende Januar 2025 im „Trilog“, einem Verhandlungsprozess im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens der Europäischen Union zwischen Kommission, Rat und Europäischem Parlament. Im Zuge der jüngsten Verhandlungen kam es nun zu neuen Entwicklungen: Divergierenden Medienberichten zufolge soll „die EU-Kommission das geplante Umweltgesetz stoppen“, während andere die Zukunft der Richtlinie als „unsicher“ sehen.
Im Zentrum sieht die Green-Claims-Richtlinie eine verpflichtende Vorab-Verifizierung sämtlicher Umweltaussagen samt Lebenszyklusanalyse vor. Von Beginn an gab es an dem Richtlinienvorschlag erhebliche Kritik wegen des befürchteten hohen bürokratischen Aufwands und ebenso hoher Kosten. Auch der Effekt des „Greenhushings“, bei dem Unternehmen aufgrund hoher Kosten und drohender Strafen über Nachhaltigkeitsbemühungen schweigen, wurde mitunter antizipiert. Ausschlaggebend für die angekündigte Rücknahme durch die Kommission sei vor allem die Anwendbarkeit der Green-Claims-Richtlinie auf die rund 30 Millionen Kleinstunternehmen in der EU gewesen. Berichten zufolge wurde diese Position der Kommission Tage später wieder revidiert, innerhalb des Kollegiums der Kommissionsmitglieder bestehe noch keine Einigkeit. Noch ist ungewiss, wie mit der Richtlinie im Rahmen der dänischen Ratspräsidentschaft weiter verfahren wird.
Bleiben im Lichte dieser Entwicklungen Umweltaussagen nun unreguliert? Keineswegs!
Green Brands sind Marken, die durch Worte oder grafische Gestaltung einen Umwelt- oder Nachhaltigkeitsaspekt zum Ausdruck bringen – ein denkbar großer Ausschnitt aller Marken heutzutage. Für diese besteht in Deutschland und Österreich bereits ein erprobtes Kontrollsystem über den Weg des Lauterkeitsrechts vor den Gerichten, welche bereits jetzt einen strengen Maßstab an Werbung mit Umweltaussagen anlegen. Beispielhaft für diese strenge Rechtsprechung ist auch der Beschluss des BGH vom 20.02.2025 zur CPC-Verordnung in einem vom Umweltbundesamt (UBA) geführten Verfahren gegen Flixbus. Eine belgische Behörde hatte das UBA ersucht, gegen irreführende Umweltaussagen von Flixbus vorzugehen (Durchsetzungsersuchen nach der CPC-VO (VO (EU) 2017/2394). Daraufhin hatte das UBA Flixbus bereits im Januar 2023 untersagt, gegenüber Verbraucher*innen mit der Aussage zu werben, Fernbusse seien die umweltfreundlichsten Verkehrsmittel. Das UBA beanstandete auch die CO2-Kompensation, die Flixbus den Reisenden als Zusatzleistung anbot. Der BGH bestätigte diesen Beschluss und dabei auch Befugnisse der Behörden aus dem sogenannten CPC-Netz.
Action Point: EmpCo-Fitnesscheck für grüne und/oder soziale Claims
Mit der Empowering-Consumers-Richtlinie (EmpCo-RL), die bis 27. März 2026 von den EU Mitgliedsstaaten umzusetzen und ab dem 27. September 2026 anwendbar ist, werden die Anforderungen an „grüne Werbung“ nachgeschärft.
Dies bedeutet dass – unabhängig von der heftig diskutierten Green-Claims-Richtlinie – ab September 2026 ohnehin neue Regeln für die Umweltkommunikation in der EU gelten werden wie:
- Neue, strenge Anforderungen für „allgemeine Umweltaussagen“, betreffend etwa Werbung mit „grün“, „nachhaltig“, „umweltfreundlich“ und „ökologisch“ (die zugrunde liegende anerkannte hervorragende Umweltleistung ist vom Unternehmer nachzuweisen und die Umweltaussage „am selben Medium“ zu spefizieren), dies hat uE zur Folge dass Marken in der Praxis vielfach nur mehr mit spezifischen Umweltaussagen zulässig werden können, was marketingmäßig wenig attraktiv erscheint da jede Verwendung der Marke einen Sternchenverweis zur Spezifizierung benötigen wird.
- Neue Regeln zur Werbung mit Kompensationsmaßnahmen sowie ein grundsätzliches Verbot der produktbezogenen Werbung mit Kompensationsaussagen (CO2 Kompensationsaussagen sind nur mehr dann zulässig, wenn sie sich auf die tatsächlichen Auswirkungen auf den ganzen Lebenszyklus des betreffenden Produkts (also Produktion, Gebrauch, Entsorgung) beziehen und nicht auf die Kompensation von Treibhausgasemmissionen außerhalb der Wertschöpfungskette des Produkts).
- Strenge Vorgaben zur Werbung mit künftigen Umweltleistungen (dies betrifft Aussagen im B2C Bereich wie z.B. „Bis zum Jahr 2050 sind wir klimaneutral!“), welche künftig einen detaillierten und realistischen Umsetzungsplan benötigen. Die Fortschritte des Unternehmens sind von einem externen Sachverständigen prüfen zu lassen, wobei der deutsche Referentenentwurf für die EmpCo-Umsetzung hier insbesondere auf die nach dem Umweltauditgesetz zugelassenen Umweltgutachter als Sachverständige verweist.
- Neue Regeln zur Werbung mit „Social Claims“, dies betrifft die Anforderungen an Belege für Aussagen etwa zu fairen Löhnen, Arbeitsbedingungen, Artenschutz oder Diversität;
Sind eigene Nachhaltigkeitssiegel ab dem 27. September 2026 Geschichte?
Eine zentrale Regelung innerhalb der EmpCo-RL betrifft „Nachhaltigkeitssiegel“, das sind freiwillige Vertrauenssiegel mit dem Ziel, ein Produkt oder Unternehmen hinsichtlich ökologischer oder sozialer Aspekte herauszuheben. Mit Wirkung ab dem 27. September 2026 ist es aufgrund eines neuen Tatbestands in der „schwarzen Liste“ zum UWG verboten, solche Siegel zu verwenden, wenn sie nicht von einer staatlichen Stelle festgesetzt wurden oder auf einem Zertifizierungssystem im Sinne der Vorgaben laut EmpCo beruhen, also strenge Transparenz-, Sachlichkeits- und Unabhängigkeitsvorschriften erfüllen. Im Klartext bedeutet das: Schluss mit der Selbstzertifizierung!
Grundsätzlich sind hier fast alle Green Brands als Nachhaltigkeitssiegel einzuordnen wenn sie das Ziel verfolgen ökologische und/oder soziale Merkmale hervorzuheben oder zu fördern, Auch Gewährleistungsmarken können Nachhaltigkeitssiegel sein und dürfen nach der EmpCo nur mehr dann verwendet werden wenn sie von staatlichen Stellen festgesetzt wurden oder auf einem Zertizierungssystem beruhen.
Eine der aktuell vieldiskutierten Fragen ist hier, ob Top-Arbeitgeber:in-Auszeichnungen, also Siegel wie „Bester Arbeitgeber“ oder „Top Arbeitgeber“ ab 27. September 2026, nur noch im Rahmen des Zertifizierungssystems laut „EmpCo“ verwendet werden dürfen? Die in Österreich diskutierte Idee, die Gefahr einer Einordnung als Nachhaltigkeitssiegel durch den Hinweis zu unterbinden, dass ein Zeichen kein Nachhaltigkeitssiegel sondern eine Marke ist, würde einen sehr deutlichen Hinweis voraussetzen (etwa: „das ist nur eine Marke und kein Vertrauenssiegel oder Gütezeichen) und kommt an ihre Grenzen mit der von der EmpCo vorgegebenen Definition für Nachhaltigkeitssiegel. Grundsätzlich gilt daher, dass nach dem Verständnis des betroffenen Verkehrskreises ein Siegel oder Zeichen nur dann kein Nachhaltigkeitssiegel im Sinne der EmpCo darstellt, wenn ökologische und/oder soziale Merkmale nur eine ganz untergeordnete Rolle spielen.
Damit eröffnen sich spannende Abgrenzungsfragen für die Praxis.
Die EmpCo sieht auch keine Übergangsfristen vor. Produktverpackungen, die mit einer Mindesthalbbarkeit über den 27. September 2026 hinaus etwa jetzt schon produziert sind oder werden, sollten bereits jetzt „EmpCo-fit“ sein. Alternativ müssten diese Verpackungen im Handel vor dem Geltungsbeginn „gestickert“ werden - was gerade bei Premium Produkten unattraktiv ist.
Ist Ihr Label bzw. Ihre Marke schon EmpCo-fit?
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Dr. Wiebke Baars, Partnerin bei Taylor Wessing in Hamburg, ist spezialisiert auf die Beratung und Prozessführung im gewerblichen Rechtsschutz und Wettbewerbsrecht. Sie berät Mandanten aus der Consumer-Goods- und Life-Sciences-Industrie unter anderem mit Fokus auf Fragen zum Thema „Green-Claims“,
Dr. Martin Prohaska-Marchried, Partner bei Taylor Wessing Österreich, spezialisiert auf Werberecht, berät laufend zum Thema „Green Claims“ und vertritt seit über 25 Jahren Unternehmen insbesondere in UWG-Verfahren vor Gericht in Österreich.
LinkedIn-Profil Dr. Martin Prohaska-Marchried
Andreas Bauer ist Partner bei der internationalen Wirtschaftskanzlei Taylor Wessing. Andreas Bauer ist anerkannter Experte im Bereich Green Advertising & Green Brands. Er war/ist an mehreren „klimaneutral“-Gerichtsverfahren beteiligt. Zugleich unterstützt er Unternehmen dabei, sich auf die neuen Herausforderungen im Zuge der aktuell so brisanten Entwicklungen zu Green Claims auf EU-Ebene einzustellen.