27. Juni 2025
Ein Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 5. Juni 2025 bereitet den Weg für eine umfassende Neugestaltung des Verbraucherkreditrechts in Deutschland. Die bevorstehende Umsetzung der neuen EU-Verbraucherkreditrichtlinie (Richtlinie (EU) 2023/2225 – Verbraucherkredit-RL-neu) zielt darauf ab, den Verbraucherschutz zu stärken und den Binnenmarkt für Kredite zwischen Unternehmen und Konsumenten zu fördern. Dabei werden insbesondere technologische Entwicklungen und neue Kreditprodukte, wie "Buy Now, Pay Later" (BNPL)-Modelle, berücksichtigt.
Die Richtlinie folgt einem Vollharmonisierungsansatz, der den EU-Mitgliedstaaten grundsätzlich keinen Spielraum für strengere oder weniger strenge nationale Vorschriften lässt. Ausnahmen bilden wenige "Öffnungsklauseln", die abweichende Schutzniveaus ermöglichen. Die meisten Änderungen treten am 20. November 2026 in Kraft. Der Entwurf trägt zudem zu den Nachhaltigkeitszielen der UN-Agenda 2030 bei, indem er Überschuldung vorbeugt und nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster unterstützt.
Im Folgenden fassen wir die wichtigsten Punkte des Referentenentwurfs zusammen:
Die bisherige Schriftformerfordernis wird durch die Textform für Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge und Darlehensvermittlungsverträge ersetzt. Dies ermöglicht vollständig digitalisierte Prozesse, beseitigt Medienbrüche und führt zu einem spürbaren Abbau von Bürokratiekosten für die Wirtschaft. Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge bleiben jedoch weiterhin formbedürftig (Schriftform, ersetzbar durch elektronische Form).
Vorvertragliche Informationen müssen auf Papier oder einem vom Verbraucher wählbaren, gängigen dauerhaften Datenträger (z.B. E-Mail, digitale Postbox) bereitgestellt werden. Das Wahlrecht des Verbrauchers erstreckt sich dabei auf den gesamten Passus, d.h., er kann auch die Papierform wählen.
Voreingestellte Optionen, die die Erklärung des Darlehensnehmers zum Vertragsabschluss von Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen oder zusätzlichen Leistungen herbeiführen, sind ausdrücklich unzulässig.
Werbung für Kreditprodukte erfordert einen klaren und auffallenden Warnhinweis auf die Kosten ("Achtung! Kreditaufnahme kostet Geld" oder eine gleichwertige Formulierung). Zudem sind bestimmte irreführende und aggressive Werbeaussagen verboten. Dazu gehören das Suggerieren einer finanziellen Verbesserung durch einen Kredit, das Behaupten, dass laufende Kreditverträge oder Schufa-Einträge geringen oder keinen Einfluss auf die Bewertung eines Kreditantrags hätten, oder das falsche Suggerieren, ein Kredit würde Finanzmittel erhöhen, Ersparnisse ersetzen oder den Lebensstandard anheben. Auch aggressive Werbepraktiken, wie das Anbieten von Preisnachlässen, die von einer Kreditaufnahme abhängig sind, oder von Schonfristen für Rückzahlungsraten von mehr als drei Monaten, sind untersagt.
Für "Jetzt kaufen, später bezahlen"-Modelle (BNPL) wird eine eng gefasste Ausnahme vom Verbraucherdarlehensrecht vorgesehen, um bestimmte Rechnungskäufe weiterhin auszuschließen. Diese Ausnahme gilt, wenn der Unternehmer selbst einen zins- und entgeltfreien Zahlungsaufschub von maximal 50 Tagen nach Lieferung der Ware gewährt und der Verbraucher bei Zahlungsverzug lediglich begrenzte Kosten trägt. Für größere Online-Warenlieferanten oder -Dienstleistungserbringer (die nicht als Kleinstunternehmen, kleine oder mittlere Unternehmen gelten und Informationsgesellschaftsdienste anbieten) ist die Ausnahme enger gefasst: Hier darf die Zahlung vollständig innerhalb von längstens 14 Tagen geleistet werden, und kein Dritter darf die Zahlungsforderung gegen den Verbraucher aus dem Vertrag erwerben. Diese Präzisierung ist eine direkte Reaktion auf die Notwendigkeit, BNPL-Modelle zu regulieren und Umgehungen des Verbraucherschutzes zu verhindern.
Der Anwendungsbereich der Kreditwürdigkeitsprüfung wird ausgeweitet und die Anforderungen werden verschärft. Bei der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten hat der Darlehensnehmer ein umfassendes Recht auf menschliches Eingreifen. Die Nutzung besonderer Kategorien personenbezogener Daten (gemäß Artikel 9 Absatz 1 DSGVO, z.B. über Herkunft oder Weltanschauung) sowie von Daten aus sozialen Netzwerken für Allgemein-Verbraucherdarlehen ist untersagt. Bankenaufsichtsrechtliche Leitlinien verlangen zudem, dass die Informationen, die der Kreditwürdigkeitsprüfung zugrunde gelegt werden, stets "einschlägig und genau" sein müssen.
Im Versicherungsvertragsgesetz wird das sogenannte "Right to be forgotten" umgesetzt. Personenbezogene Daten über die Diagnose onkologischer Erkrankungen dürfen nach einem Zeitraum von 15 Jahren nach Beendigung der medizinischen Behandlung nicht mehr für die Zwecke einer Versicherungspolice im Zusammenhang mit einem Kreditvertrag verwendet werden.
Die meisten Änderungen treten am 20. November 2026 in Kraft. Einzelne Regelungen zur Gewerbeordnung (GewO) für Darlehensvermittler, wie die Einführung eines eigenständigen gewerberechtlichen Erlaubnistatbestands und die Übergangsregelungen zur Registrierung, treten bereits am 1. Januar 2026 in Kraft.
Darlehensgeber sind verpflichtet, Darlehensnehmer, die in finanzielle Schwierigkeiten geraten, an leicht zugängliche Schuldnerberatungsdienste zu verweisen. Zudem müssen sie angemessene Nachsicht walten lassen, bevor Zwangsvollstreckungsmaßnahmen eingeleitet werden. Dies kann auch die Änderung von Darlehensvertragsbedingungen (z.B. Verlängerung der Laufzeit, Änderung der Art des Darlehens, Zahlungsaufschub, Herabsetzung des Sollzinssatzes, Zahlungsunterbrechung, Teilrückzahlungen, Währungsumrechnungen, Teilerlass, Schuldenkonsolidierung) umfassen.
Die Richtlinie erfasst nun grundsätzlich auch unentgeltliche Allgemein-Verbraucherdarlehen, Darlehen mit einem Nettodarlehensbetrag von unter 200 Euro und Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge, die binnen drei Monaten zurückzuzahlen sind und nur geringe Kosten verursachen.
Ein sogenanntes "ewiges Widerrufsrecht" wird künftig vermieden. Unabhängig vom Beginn der Widerrufsfrist erlischt das Widerrufsrecht bei Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen spätestens zwölf Monate und 14 Tage nach Vertragsschluss. Der Verbraucher hat das Recht, einen dauerhaften Datenträger für die Widerrufserklärung zu wählen.
Kopplungsgeschäfte, bei denen der Abschluss eines Darlehensvertrags vom Erwerb weiterer Finanzprodukte oder -dienstleistungen abhängig gemacht wird, sind grundsätzlich verboten. Ausnahmen bestehen beispielsweise für Bausparverträge, um die Kopplung von Bauspardarlehen und Bausparverträgen weiterhin zu ermöglichen.
Es wird ein Recht auf diskriminierungsfreie Vergabe von Allgemein-Verbraucherdarlehen eingeführt, basierend auf Artikel 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (z.B. keine Benachteiligung aufgrund von Staatsangehörigkeit, Wohnsitz, Geschlecht, Rasse usw.).
Die Richtlinie legt neue Anforderungen an die Kenntnisse und Fähigkeiten des Personals fest, das an der Darlehensvergabe und -beratung beteiligt ist, und verlangt eine regelmäßige Weiterbildung.
Es wird ein neues Stammgesetz zur Aufsicht über Verbraucherkredite im Rahmen der Absatzfinanzierung (AbsFinAG) geschaffen. Dies soll sicherstellen, dass auch Warenlieferanten oder Dienstleistungserbringer, die absatzfinanzierende Zahlungsaufschübe anbieten, einer Aufsicht unterliegen. Kreditgeber und Kreditvermittler unterliegen einer Registrierungspflicht.
Die neuen Regelungen der Verbraucherkredit-RL-neu stellen einen entscheidenden Schritt dar, um den Verbraucherschutz im dynamischen Markt der Verbraucherkredite und Finanzierungshilfen zu modernisieren und zu stärken. Durch die Anpassung an technologische Entwicklungen und die Einbeziehung neuer Produkte wie BNPL-Modelle wird die Rechtssicherheit für alle Beteiligten erhöht. Gleichzeitig fördert die Richtlinie die Digitalisierung von Prozessen und trägt zu den Zielen der UN-Agenda 2030 bei. Unternehmen sind gut beraten, sich frühzeitig mit diesen umfassenden Änderungen auseinanderzusetzen, um ihre internen Prozesse und Angebote entsprechend anzupassen und so die Einhaltung der neuen Vorschriften zu gewährleisten. Die Transparenz- und Informationspflichten werden das Vertrauen der Verbraucher in den Kreditmarkt weiter stärken.
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