Nach dem Scheitern der großen Apothekenreform in der letzten Legislaturperiode scheint erneut Bewegung in die Modernisierung des Apothekenwesens zu kommen. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) arbeitet mit der Apothekenreform 2025 an konkreten Anpassungen der Apothekenvergütung, dem nachhaltigen Erhalt eines flächendeckenden Versorgungsnetzes, dem Bürokratieabbau und der stärkeren Einbindung von Apothekenkompetenzen in die Versorgung der Bevölkerung. Mit der Veröffentlichung der aktuellen Referentenentwürfe wird nun deutlich, welche konkreten Maßnahmen hinter den bisher vagen Reformversprechen stecken.
Wir geben einen Überblick über die wesentlichen geplanten Änderungen – und die schon jetzt aufkommende Kritik:
- Keine Fixum-Erhöhung
Wer die im Koalitionsvertrag vorgesehene Erhöhung des Apothekenpackungsfixums von EUR 8,35 auf EUR 9,50 (bis zu EUR 11,00 bei besonderen Fällen) im aktuellen Reformentwurf sucht, sucht vergebens. Die Fixum-Erhöhung, sprich der Betrag, den Apotheken für jede abgegebene Packung verschreibungspflichtiger Arzneimittel erhalten, wurde bis auf Weiteres aufgrund der angespannten wirtschaftlichen Lage verschoben.
- Langfristige Honoraranpassung durch Verhandlung
Honorare und Zuschläge für Nacht- und Teilnotdienste sollen künftig regelmäßig zwischen Apothekenverbänden und Kassen verhandelt werden. Ziel ist eine dynamischere Vergütungsstruktur, die Markt- und Kostenentwicklungen besser abbildet. Die Arbeitsgemeinschaft der Berufsvertretungen Deutscher Apotheker (ABDA) wirft der Politik vor, mit der Aussetzung der zugesagten Honoraranhebung ihr Wort gebrochen zu haben und warnt, dass dies gemeinsam mit den unsicheren Rahmenbedingungen für künftige Vergütungsverhandlungen zu wirtschaftlicher Instabilität führe und vor allem kleine Apotheken in ihrer Existenz gefährde.
- Ausschluss der Nullretaxation
Die Fälle der Nullretaxation aufgrund rein formaler Gründe sollen abgeschafft werden, wenn die versicherte Person sachgerecht versorgt worden ist. Eine Ablehnung der Kostenübernahme durch die Krankenkassen wäre damit künftig in vielen Fällen ausgeschlossen. Das schafft mehr Rechtssicherheit für Apotheken und stärkt die Versorgungspraxis.
- PTA-Vertretungsregel
Pharmazeutisch-Technische Assistent:innen (PTA) sollen nach zweijähriger Weiterbildung bis zu 20 Tage pro Jahr die Leitung einer Apotheke übernehmen können. Das soll mehr Flexibilität bei Personalengpässen schaffen und kleine Betriebe unterstützen, die nicht dauerhaft eine approbierte Leitung gewährleisten können. Kritiker sehen jedoch Risiken bei der Gewährleistung der Fachkompetenz und der Patientensicherheit („Apotheke ohne Apotheker“).
- Erweiterung der pharmazeutischen Dienstleistungen
Das Leistungsspektrum soll erweitert werden: Apotheken sollen künftig verstärkt Aufgaben in der Prävention und Gesundheitsvorsorge (z.B. Blutzuckertests, Blutdruckkontrollen, Raucherentwöhnung) sowie Impfungen (z. B. gegen Grippe und COVID-19) übernehmen. Damit würde die Rolle der Apotheken als niedrigschwellige Gesundheitsakteure deutlich gestärkt und der Apothekerberuf als Heilberuf weiterentwickelt. Möglicherweise kann dadurch auch ein Beitrag zur Steigerung der Impfquote geleistet werden. Allerdings bestehen Bedenken hinsichtlich der Finanzierung und personellen Ausstattung, da nicht alle Betriebe über die notwendigen Ressourcen verfügen. Dies könnte dazu führen, dass die neuen Dienstleistungen nicht flächendeckend angeboten werden. Die Ärzteschaft befürchtet zudem eine Zersplitterung der Impfverantwortung.
- Arzneimittelabgabe ohne Rezept
In definierten Ausnahmen sollen Apotheken verschreibungspflichtige Arzneimittel auch ohne Rezept abgeben dürfen: Zum einen bei chronischer Dauermedikation („Anschlussversorgung“) und akutem Bedarf oder bei bestimmten Erkrankungen, wobei diese erst noch durch Rechtsverordnung bestimmt werden sollen. Damit sollen Arztpraxen entlastet, Versorgungslücken geschlossen und die Notfallversorgung verbessert werden. Seitens der Ärzteschaft wird kritisiert, dass auf diese Weise das bewährte Zusammenspiel zwischen Ärzten und Apothekern geschwächt und die Patientensicherheit gefährde würde. Es müsse dabei bleiben, dass der Patient nur nach fachgerechter Diagnose und einer ärztlichen Therapieentscheidung verschreibungspflichtige Arzneimittel ausgehändigt bekommt.
- Lockerung bei Rabattarzneimitteln
Bei Lieferengpässen sollen Apotheken rascher verfügbare, wirkstoffgleiche Alternativpräparate abgeben dürfen – auch wenn diese nicht rabattiert sind. Das soll die Patientenversorgung beschleunigen, bringt aber auch höhere Kosten für die Kassen mit sich und verlangt eine sorgfältige Dokumentation der Ausnahmefälle.
- Flexible Filialgründung
Apotheken sollen Zweig- und Filialapotheken unkomplizierter eröffnen und gemeinsam betreiben dürfen.
Konkret sieht der Entwurf insofern Folgendes vor:
- Die Verantwortung der Leitung einer Filialapotheke kann künftig auch von zwei Apotheker:innen übernommen und aufgeteilt werden kann (die Leitung einer Zweigapotheke kann auch bei dem Apothekeninhaber liegen). So kann die Leitungsfunktion auch in Teilzeit wahrgenommen werden, was dem Fachkräftemangel entgegenwirken soll. Bei derartigen Gestaltungen wird auf die Ausgestaltung der Haftung durch Abgrenzung der Verantwortungsbereiche zu achten sein, wozu der Entwurf bereits Anhaltspunkte enthält.
- Auf die Genehmigung zur Gründung von Zweigapotheken in abgelegenen Orten oder Ortsteilen mit deutlich eingeschränkter Arzneimittelversorgung sollen Apotheker:innen künftig einen Anspruch haben. Bislang steht die Entscheidung über die Genehmigung im Ermessen der Behörden. Die Genehmigungsdauer soll auf zehn statt fünf Jahre erhöht werden.
- Der Entwurf sieht die Steigerung auf bis zu zwei Zweigapotheken pro Apothekenbetreiber:in vor – bislang durfte nur eine Zweigapotheke geführt werden. Ob die Praxisrelevanz von Zweigapotheken hiermit zunimmt, bleibt abzuwarten. Laut ABDA gab es 2023 bundesweit zehn Zweigapotheken.
Ob und in welchem Umfang diese Reformpläne umgesetzt werden, bleibt angesichts des noch laufenden Branchendialogs und politischen Abstimmungsprozessen abzuwarten. Die kommenden Anhörungen und die weitere Diskussion werden insbesondere zeigen, inwieweit die schon jetzt laut werdende Kritik in den endgültigen Gesetzestext einfließen wird.
Klar ist schon jetzt: Die Apothekenreform wird die künftige Rolle der Apotheke im Gesundheitssystem entscheidend prägen. Das Ergebnis der aktuellen Reformdiskussion wird maßgeblich darüber bestimmen, wie Apotheken sich künftig organisieren, finanzieren und in Prävention sowie Patientenversorgung einbringen können. Noch vor Weihnachten soll im Kabinett zu den Referentenentwürfen beraten werden.
*Referentenentwürfe des BMG zum Apothekenversorgung-Weiterentwicklungsgesetz (ApoVWG) vom 16.10.2025 und zur Änderung der Apothekenbetriebsordnung und der Arzneimittelpreisverordnung vom 14.10.2025