Die Steuerberaterbranche ringt um den richtigen Umgang mit externem Kapital. Befürworter einer Verschärfung des Fremdbesitzverbots sehen die Unabhängigkeit des Berufsstands bedroht, sollte externes Kapital in Steuerkanzleien einziehen. Doch bei genauerer Betrachtung greift diese Argumentation zu kurz. Ein Plädoyer von Anne-Kathrin Hoppe und Dr. Martin Jäger.
„Private Equity agiert nicht aus Altruismus“
Kein ernsthafter Investor behauptet, aus Altruismus zu handeln. Aber auch Steuerberater agieren nicht altruistisch – schon innerhalb von Partnerschaften gibt es harte Diskussionen um Umsatz, Profitabilität und Ressourcenzuteilung. Maßgeblich ist nicht, ob jemand Renditeinteressen verfolgt, sondern ob die Unabhängigkeit des Berufsstands durch klare Governance-Regeln abgesichert werden kann.
„Je mehr Kapital, desto mehr Einfluss“
Diese Gleichung ist zu kurz gegriffen. Einfluss hängt nicht von der Kapitalhöhe ab, sondern von diversen Kontrollrechten: Stimmrechte, Vetorechte, Zugriff auf Mandatsakten. Minderheitsbeteiligungen ohne Kontrollrechte gefährden die Unabhängigkeit nicht. Umgekehrt bestehen andere Einflusskanäle, die von Befürwortern verschärfter Fremdbesitzregeln unerwähnt bleiben: Banken üben durch Kreditvergabe erheblichen Druck aus – völlig unabhängig von Fremdbesitz.
„Unabhängigkeit ist konstitutiv für den Berufsstand“
Das ist unstreitig. Aber Unabhängigkeit lässt sich auf verschiedene Weise absichern – etwa durch Corporate-Governance-Regeln, die sicherstellen, dass Steuerberater in fachlichen Fragen weisungsfrei bleiben. Ein pauschales Fremdbesitzverbot ist ein grobes Instrument, das zwar einfach zu kommunizieren, aber rechtlich und ökonomisch nicht zwingend erforderlich ist.
„Zugang zu Kapital besteht über Banken und Förderprogramme“
Auch wenn diese Aussage formal richtig ist, so geht sie an der Realität vorbei. Banken vergeben Kredite ausschließlich auf Basis von Sicherheiten. Für kleinere und mittlere Kanzleien mit begrenzten Assets ist das kaum ausreichend, um Digitalisierung und Skalierung zu finanzieren. Eigenkapital von Investoren ist nicht durch Fremdkapital ersetzbar – schon weil es Risikotragfähigkeit schafft, die Banken nicht übernehmen.
„Digitale Innovation ist ohne Fremdkapital möglich“
Hier unterschätzen die Befürworter einer Verschärfung des Fremdbesitzverbots die Dimension des Innovationsdrucks. Standard-Softwarelösungen gibt es zwar – aber wirkliche Wettbewerbsvorteile entstehen erst durch eigenentwickelte, integrierte Lösungen. Diese erfordern erhebliche Investitionen, die nicht jeder Einzelkanzlei offenstehen. Separate IT-Gesellschaften sind zwar rechtlich möglich, lösen aber das Grundproblem nicht: die Finanzierungslücke im Kerngeschäft bleibt bestehen.
„Die Mehrheit der Steuerberater lehnt Private Equity ab“
Es mag vielleicht stimmen, dass ein erheblicher Teil der Berufsträger keine Finanzinvestoren in ihre Kanzleien holen möchte. Das wäre auch völlig legitim. Problematisch wird es aber, wenn dadurch anderen Steuerberatern, die ihre Nachfolge sichern, wachsen oder ihre Kanzlei professionalisieren wollen, diese Option genommen wird. Ein gesetzliches Verbot beschneidet die unternehmerische Freiheit und blockiert den Zugang zu dringend benötigtem Eigenkapital.
Fazit: Governance und Aufsicht statt pauschaler Verbote
Unabhängigkeit ist das Fundament des Berufsstands – darüber herrscht Einigkeit. Doch wer sie ausschließlich durch pauschale Fremdbesitzverbote sichern will, schneidet der Branche Entwicklungschancen ab. Governance-Regeln und Aufsicht wären das differenziertere Instrument, um beides zu erreichen: Unabhängigkeit und Zukunftsfähigkeit.