Mit Urteil vom 9. Januar 2025 hat der EuGH klargestellt, wann Behörden ihr Tätigwerden wegen einer „exzessiven Anfrage“ nach Art. 57 Abs. 4 DSGVO verweigern dürfen. Nach Auffassung des Gerichts stellt die Anzahl der erhobenen Beschwerden lediglich ein Indiz für einen potenziellen Rechtsmissbrauch dar.
Das Urteil betrifft einen Streit zwischen einer betroffenen Person und der Österreichischen Datenschutzbehörde. Diese lehnte eine Beschwerde des Betroffenen wegen eines angeblichen Verstoßes gegen Art. 15 DSGVO mit Verweis auf Art. 57 Abs. 4 DSGVO ab. Begründet wurde dies mit der Annahme, die Beschwerde sei „exzessiv“. Der Betroffene hatte innerhalb eines Zeitraums von etwa 20 Monaten insgesamt 77 vergleichbare Beschwerden gegen unterschiedliche Verantwortliche eingereicht und die Behörde regelmäßig telefonisch kontaktiert, um zusätzliche Sachverhalte zu schildern und weitere Anfragen zu stellen.
Gegen den ablehnenden Bescheid ging der Betroffene erfolgreich vor dem österreichischen Bundesverwaltungsgericht vor. Das Gericht stellte fest, dass eine „exzessive Anfrage“ nicht nur häufig wiederholt werden muss, sondern auch schikanös oder missbräuchlich sein muss. Dies habe die Behörde nicht ausreichend dargelegt. Darüber hinaus könne die Behörde zwischen den in Art. 57 Abs. 4 DSGVO vorgesehenen Maßnahmen – der Erhebung einer angemessenen Gebühr oder der Verweigerung des Tätigwerdens – nicht beliebig wählen. Vielmehr sei eine Ermessensentscheidung erforderlich, die umfassend zu begründen sei.
Die Datenschutzbehörde legte gegen diese Entscheidung Revision ein. Das mit der Revision befasste Gericht rief im Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens den EuGH an, um die Auslegung des Begriffs der „exzessive Anfrage“ in Art. 57 Abs. 4 DSGVO und dessen Bedeutung im Rahmen von Beschwerdeverfahren nach Art. 77 Abs. 1 DSGVO zu klären.
Der EuGH beschäftigt sich in seinem Urteil mit drei wesentlichen Fragestellungen zur Auslegung der genannten Bestimmungen:
Der EuGH legt den Begriff der „Anfrage“ in Artikel 57 Abs. 4 DSGVO weit aus und schließt ausdrücklich auch Beschwerden nach Artikel 77 Abs. 1 DSGVO mit ein. Aufsichtsbehörden können sich somit auch im Rahmen von Beschwerdeverfahren auf die Regelung des Art. 57 Abs. 4 DSGVO berufen. Der EuGH sieht in dieser weiten Auslegung eine Maßnahme, die das effiziente Arbeiten der Aufsichtsbehörden durch die Verhinderung exzessiver Anfragen sicherstellt und so ein hohes Datenschutzniveau gewährleistet.
Nach Auffassung des EuGH können Anfragen nicht allein aufgrund ihrer Anzahl in einem bestimmten Zeitraum als „exzessiv“ im Sinne des Art. 57 Abs. 4 DSGVO eingestuft werden. Entscheidend sei vielmehr, ob eine Missbrauchsabsicht der anfragenden Person nachgewiesen werden könne. Missbrauch liegt vor, wenn Beschwerden ohne objektive Notwendigkeit eingereicht werden, um DSGVO-Rechte zu schützen. Liegt eine Vielzahl von Beschwerden vor, die inhaltlich substanzlos sind, und entsteht dadurch der Eindruck, die Person wolle die Behörde durch eine Überflutung mit Anfragen lähmen, so wäre ein rechtsmissbräuchliches Verhalten anzunehmen.
Der EuGH betont weiterhin, dass es Sache der Mitgliedstaaten ist, sicherzustellen, dass ihre Aufsichtsbehörden über entsprechende Ressourcen verfügen, um ihren Aufgaben nachzukommen. Eine Behörde könne sich daher nicht auf die bloße Belastung ihrer Kapazitäten berufen, um Anfragen abzulehnen, selbst wenn diese deutlich über dem Durchschnitt liegen.
Der EuGH stellt klar, dass Aufsichtsbehörden grundsätzlich die Wahl haben, entweder eine angemessene Gebühr auf Grundlage der Verwaltungskosten zu erheben oder die Bearbeitung einer als exzessiv eingestuften Anfrage zu verweigern Eine Gebühr schränkt die Rechte der Betroffenen weniger ein als die Ablehnung der Bearbeitung. Zudem könne sie abschreckend wirken und dazu beitragen, missbräuchliche Praktiken bereits im Ansatz zu verhindern.
Dennoch steht es den Behörden frei, eine Wahl zu treffen. Sie müssen dabei verhältnismäßig handeln und alle relevanten Umstände des Einzelfalls berücksichtigen.
Das Urteil des EuGH bringt eine wichtige Klarstellung für die Praxis der Aufsichtsbehörden: Sie müssen bei einer hohen Anzahl an Anfragen sorgfältig abwägen, ob diese gerechtfertigt sind oder missbräuchliches Verhalten darstellen. Die Beweislast für einen „exzessiven Charakter“ liegt dabei bei der Behörde.