28. Februar 2024
Schaut man auf die in Deutschland zu beobachtende Praxis der Aufsichtsratsvergütung, sieht man, dass die ganz überwiegende Mehrzahl der börsennotierten Unternehmen ihren Aufsichtsratsmitgliedern eine Festvergütung zahlt. Variable Vergütungsmodelle sind auf dem Rückmarsch. Sahen vor rd. fünf Jahren immerhin noch fünf DAX-Unternehmen auch variable Bestandteile der Aufsichtsratsvergütung vor, tut dies derzeit keines mehr.
Die Tatsachenlage ändert sich, wenn man in das Ausland blickt. Insbesondere in den USA, in Großbritannien und in der Schweiz gelten variable Vergütungsbestandteile für die Aufsichtsratsvergütung durchaus als üblich. In der Schweiz gewähren rund ein Viertel der börsennotierten Unternehmen ihren Verwaltungsräten auch Aktien bzw. Aktienoptionen. Bei US- und UK-Emittenten stellen Share Ownership Guidelines auch für non-executive directors eher die Regel als die Ausnahme dar.
Das variable Bestandteile für die Vergütung von Aufsichtsratsmitglieder rechtlich zulässig sind, gilt als unumstritten. Die Neufassung von § 113 Abs. 3 Satz 2 AktG durch das ARUG II, d.h. der dortige Verweis auf die Berichtsangaben des § 87a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und 4 AktG bestätigen dies.
Die wenigsten Einwände werden gegen die Zulässigkeit einer variablen Aufsichtsratsvergütung erhoben, deren Bemessung sich nach bestimmten Kennzahlen des Unternehmens richtet. Seit Streichung des § 113 Abs. 2 AktG a.F. durch das ARUG II enthält § 113 AktG dazu auch keine inhaltlichen Vorgaben mehr. Übliche Kennzahlen für die Vergütungsbemessung sind entweder gewinnorientierte Finanzkennzahlen (wie z.B. EBIT, EBITDA), Cashflow-orientierte Kennzahlen oder dividenden- oder börsenkursbezogene Kennzahlen. Natürlich eignen sich aber auch sog. nicht-finanzielle Kennzahlen als Anknüpfungspunkt, vor allem zur Incentivierung in Bezug auf ESG-Ziele.
Wie sehr sich eine gewählte Kennzahl eignet, einen Beitrag zu einer gewünschten Incentivierung der Aufsichtsratsmitglieder im Sinne einer guten Corporate Governance zu leisten, hängt ganz maßgeblich davon ab, inwieweit die gewählte Kennzahl den nachfolgenden Gütekriterien entspricht:
Aktienrechtlich unzulässig ist es, für Aufsichtsratsmitglieder Aktienoptionsprogramme aufzusetzen, die mit Aktien aus einer bedingten Kapitalerhöhung oder mit eigenen Aktien aus einem Rückkauf bedient werden sollen (§§ 192 II Nr. 3, 71 I Nr. 8 AktG). Für die Bedienung von Aktienoptionsprogrammen aus einem Aktienrückkauf stellte dies der BGH im Jahr 2004 in seiner Mobilcom-Entscheidung klar (BGH v. 16.02.2004 II ZR 316/02). Dies gilt auch, soweit Aufsichtsratsmitglieder Begünstigte von Aktienoptionen aus Wandel- oder Optionsanleihen sein sollen (§ 221 Abs. 4 Satz 3 AktG).
Umstritten ist, ob aktienkursorientierte Vergütungen, wie virtuelle Beteiligungsprogramme, Phantom Stocks oder Stock Appreciation Rights, für Aufsichtsratsmitglieder als zulässig oder unzulässig anzusehen sind. Vertreter, die gegen ihre Zulässigkeit votieren, stützen sich dabei zumeist ganz maßgeblich auf ein orbiter dictum der BGH in seiner Mobilcom-Entscheidung, das sich generell gegen eine aktienkursorientiere Vergütungen von Aufsichtsratsmitglieder richtet: „Offensichtlich hat aber der Gesetzgeber eine - der Kontrollfunktion des Aufsichtsrats u.U. abträgliche … - Angleichung der Vergütungsinteressen von Vorstand und Aufsichtsrat mit Ausrichtung auf Aktienoptionen und damit auf den Aktienkurs, der durch gezielte Sachverhaltsgestaltungen des Managements inner- oder außerhalb der Legalität beinflussbar … und erfahrungsgemäß auch sonst nicht immer ein zuverlässiger Maßstab für den inneren Wert und den langfristigen Erfolg eines Unternehmens ist, jedenfalls bisher nicht für angebracht erachtet.“ (BGH v. 16.02.2004 II ZR 316/02).
Gegen eine variable Vergütung des Aufsichtsrats im Allgemeinen und gegen eine aktienorientierte Vergütung des Aufsichtsrates im Besonderen werden zumeist diese Argumente vorgetragen, welche sich bei einer näheren Betrachtung jedoch nicht als zwingend erweisen.
Für die Strukturierung von Aktienoptionen bzw. für die Gewährung von Aktien an Aufsichtsratsmitglieder ließe sich an die Schaffung eines Genehmigten Kapitals mit einem Bezugsrechtsausschluss zugunsten der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder denken. Auf diesem Weg könnte die AG einen Teil ihrer Vergütung liquiditätsschonend in Aktien statt in bar an die einzelnen Aufsichtsräte gewähren. Damit verbundene Vorteile werden aber nicht selten von den Transaktionskosten dieser Gestaltung (zumindest in Teilen) kompensiert (u.a. durch die Kosten der dazu erforderlichen Sacheinlage des Vergütungsanspruches des zeichnenden Aufsichtsratsmitgliedes samt der dazugehörigen Berichterstattung und Prüfung sowie durch die Kosten für die Börsenzulassung der neuen Aktien).
Ein aktienorientierter Vergütungsbestandteil wird sich daher in der Regel am einfachsten durch sog. Share Ownership Guidelines (SOG) implementieren lassen. Denn dass auch Aufsichtsräte Aktien „ihrer“ Gesellschaft erwerben und halten dürfen, ist unstreitig.
Dabei wird es in der Sache regelmäßig um ein freiwilliges Commitment der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder gehen, mit einem Teil der ihnen bar gewährten Aufsichtsratsvergütung einen gewissen Mindestbestand von Aktien des Unternehmens zu erwerben und diesen für bestimmte Mindestzeiten auch zu halten. Da die Vergütung des Aufsichtsrates gem. § 113 AktG entweder in der Satzung der Gesellschaft oder in einem Hauptversammlungsbeschuss festzulegen ist, sollten die Share Ownership Guidelines nicht schuldrechtlich mit den Aufsichtsräten vereinbart, sondern durch ein freiwilliges Commitment der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder implementiert werden.
Wichtig ist es in diesem Zusammenhang auch darauf zu achten, dass die Aufsichtsräte bei dem Erwerb, Halten und Veräußern der Aktien die kapitalmarktrechtlichen Anforderungen in Bezug auf das Insiderrecht, der closed periods, die erforderlichen directors dealings Mitteilungen und ggf. auch der Stimmrechtsmitteilungen kennen und beachten. Nicht selten werden sie dabei auch auf die Unterstützung der Rechtsabteilung der Emittentin angewiesen sein.
Zusammenfassend lassen sich damit folgende Gründe für und gegen eine aktienorientierten Vergütung des Aufsichtsrates ins Feld führen:
Gründe dafür:
Gründe dagegen:
1 Gerade angesichts des Umstandes, dass seit Jahrzehnten ganze Heerscharen empirischer Kapitalmarktforscher daran arbeiten, die Kapitalmarkteffizienzhypothese als eine der nunmehr wohl am meisten getesteten Thesen der Sozialwissenschaften zu widerlegen, erscheint die Ausbeute der dabei gefunden Widersprüchen und beobachteten Anomalien immer noch recht überschaubar. Vor diesem Hintergrund erscheint es vielversprechender die Gründe und Umstände näher zu betrachten, die zu einem Marktversagen führen können und Börsenkurse damit in Einzelfällen weniger aussagekräftig machen (wie z.B. das Vorliegen einer Marktenge, Insider-Arbitrage, Verstöße gegen ad hoc Pflichten).