Der von der Europäischen Union vergangenes Jahr eingeführte Digital Markets Act (DMA) hat in der Tech-Welt hohe Wellen geschlagen. Das Gesetz hat zum Ziel, dass die Märkte wirtschaftlich herausragender digitaler Plattformen, sog. zentrale Plattformdienste (“ZPD”), bestreitbar bleiben bzw. werden und die Nutzung dieser ZPD zu fairen Bedingungen erfolgt. Die Kommission hat nun in einem ersten Umsetzungsschritt des DMA bestimmt, welche Unternehmen mit welchen ZPD Adressaten des DMA, sog. Torwächter, sind.
Was ist ein Torwächter?
Torwächter bezeichnet ein Unternehmen, das einen ZPD bereitstellt und von der Kommission als Adressat des DMA benannt worden ist. Die ZPD sind im DMA abschließend aufgeführt:
- Online-Vermittlungsdienste,
- Online-Dienste sozialer Netzwerke,
- Online-Suchmaschinen,
- Video-Sharing-Plattform-Dienste,
- nummernunabhängige interpersonelle Kommunikationsdienste (d.h. Messenger),
- Betriebssysteme,
- Webbrowser,
- virtuelle Assistenten,
- Cloud-Computing-Dienste und
- Online-Werbedienste.
Dem Unternehmen und seinem ZPD muss zudem eine außergewöhnlich hohe wirtschaftliche Bedeutung in der EU zukommen, damit es als Adressat des DMA benannt werden darf. Der DMA sieht insoweit Schwellenwerte vor, bei deren Erreichen eine widerlegliche Vermutung dafür greift, dass das Unternehmen ein Torwächter ist. So muss das Unternehmen einen Jahresumsatz von mindestens EUR 7,5 Mrd. innerhalb der EU in jedem der vergangenen drei Geschäftsjahre erzielt haben oder die durchschnittliche Marktkapitalisierung oder der Marktwert muss im vergangenen Geschäftsjahr mindestes EUR 75 Mrd. betragen haben und das Unternehmen muss denselben ZPD in mindestens drei EU-Mitgliedstaaten bereitstellen. Zudem muss der ZPD mindestens 45 Millionen monatlich aktive Endnutzer und mindestens 10.000 gewerbliche Nutzer in der EU in jedem der vergangenen drei Geschäftsjahre gehabt haben.
Benennungsverfahren
Potentielle Torwächter sind verpflichtet, die Kommission darüber zu informieren, dass sie die Schwellenwerte mit einem oder mehreren ZPD erreichen. Alphabet, Amazon, Apple, ByteDance, Meta, Microsoft und Samsung hatten sich deswegen bei der Kommission zur Prüfung ihrer Adressateneigenschaft gemeldet. Im Rahmen des Benennungsverfahrens konnten die Unternehmen natürlich auch versuchen, die oben genannte Vermutung zu widerlegen. Gelingt es einem Unternehmen, die Vermutung zu widerlegen, kann die Kommission eine Marktuntersuchung durchführen, um die Adressateneigenschaft vertiefter zu prüfen.
Die ersten Entscheidungen der Kommission
Von den sieben Unternehmen hat die Kommission nun sechs Unternehmen, und zwar Alphabet, Amazon, Apple, ByteDance, Meta und Microsoft, mit insgesamt 22 ZPD als Torwächter benannt. Die Vermutung, dass der DMA damit vor allem US-Technologiegiganten in der EU einer Regulierung unterwerfen würde, hat sich also bestätigt. Nur ByteDance hat seinen Hauptsitz nicht in den USA, sondern in China.
Im Einzelnen sind die folgenden Unternehmen mit ihren jeweiligen ZPD benannt worden:

Quelle: Europäische Kommission, abrufbar hier.
Interessanterweise sind nur für acht der zehn im DMA aufgeführten ZPD entsprechende Torwächter-Benennungen erfolgt. Virtuelle Assistenten (z.B. Alexa und Siri) und Cloud-Computing-Dienste (z.B. AWS) unterliegen dagegen (noch) keiner Regulierung durch den DMA. Ferner hat die Kommission Gmail, Outlook.com und Samsung Internet Browser nicht als vom DMA erfasst angesehen, weil Alphabet, Microsoft bzw. Samsung die Vermutung erfolgreich widerlegen konnten.
Weitere Marktuntersuchungen der Kommission
Bei vier ZPD (iMessage von Apple sowie Bing, Edge und Advertising von Microsoft) kommt es zu Marktuntersuchungen der Kommission, die bis Februar 2024 abgeschlossen sein sollen. Die Kommission wird in diesem Rahmen vertieft prüfen, ob die ZPD unter den DMA fallen. Zudem hat die Kommission eine Marktuntersuchung in Bezug auf Apples iPadOS eingeleitet, obwohl dieser ZPD nicht die Schwellenwerte erreicht, aber aus qualitativen Gründen dem DMA unterfallen sollte.
Umsetzungsfrist für die Torwächter
Die Torwächter haben nun ein Zeitfenster von sechs Monaten, um die Verpflichtungen des DMA umzusetzen. Das bedeutet, dass sie bis spätestens März 2024 Anpassungen an ihren Produkten, Geschäftsmodellen und -strategien vornehmen müssen.
Insgesamt sieht der Zeitplan damit wie folgt aus:

Quelle: Europäische Kommission, abrufbar hier.
Schlussfolgerung
Der DMA stellt einen Meilenstein in der Regulierung digitaler Märkte in der EU dar. Während (potentielle) Torwächter ihre Positionen evaluieren und auf die neuen Regelungen reagieren, ist es für alle Marktteilnehmer essentiell, die Entwicklungen im Auge zu behalten und sich auf Veränderungen in ihrer Interaktion mit den Torwächtern und ihren ZPD einzustellen.