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Dr. Julia Freifrau von Imhoff

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20. Oktober 2022

Better safe than sorry – Zur Angemessenheit von Geheimhaltungsmaßnahmen

  • Briefing

Wir möchten unsere Newsletter-Reihe zum Thema „Trade Secrets“ zum Anlass nehmen, um an unseren vorangegangenen Beitrag vom 15. Juni 2022 anzuknüpfen. Dieser beschäftigte sich bereits ausführlich mit der Frage, wann Geheimhaltungsmaßnahmen nach dem GeschGehG angemessen sind. Zu dieser Frage hat sich, soweit ersichtlich, nun erstmals der Bundesgerichtshof (BGH) in einem erst kürzlich veröffentlichten Hinweisbeschluss vom 16. Dezember 2021 (Az.: I ZR 186/20 (OLG Hamm, LG Münster) = MMR 2022, 773) geäußert.


Praxisproblem: Wann sind Geheimhaltungsmaßnahmen angemessen?  

Bereits in der Vorinstanz hatte das Oberlandegericht (OLG) Hamm in seinem Urteil vom 15. September 2020 (Az.: 4 U 177/19 (LG Münster) = MMR 2021, 506) entschieden, dass es sich bei dem Begriff der angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen i.S.v. § 2 Nr. 1b Geschäftsgeheimnisgesetz (GeschGehG) um ein flexibles und offenes Tatbestandsmerkmal handle, welches dem Gedanken der Verhältnismäßigkeit folge. Die Angemessenheit setze keinen optimalen Schutz voraus, weil andernfalls der Geheimnisbegriff zu stark eingeschränkt werden würde. Es sei daher nicht erforderlich, dass ein Unternehmem zum Schutz von vertraulichen Informationen die nach den Umständen bestmöglichen und sichersten Maßnahmen ergreife. Umgekehrt genüge das kostensparende Ergreifen nur eines Minimums an Schutzvorkehrungen aber nicht. Insgesamt bestimmte sich die Angemessenheit nach den konkreten Umständen des Einzelfalls, sodass kein absoluter, sondern ein relativer und dynamischer Maßstab anzulegen sei.

Konkret bedeute dies, dass die von einem Unternehmen getroffenen Sicherungsmaßnahmen nicht unüberwindbar sein müssten, solange diese bei objektiver Betrachtung angemessen gewesen seien und das betroffene Unternehmen keine Anhaltspunkte dafür gehabt habe, eine unzureichende Sicherung anzunehmen. Seien die konkret getroffenen Sicherheitsvorkehrungen jedoch in der Vergangenheit bereits mehrfach umgangen worden, ohne, dass das Unternehmen trotz deutlichen Anhaltspunkten hierauf angemessen reagiert hätte, sei von einer unzureichenden Sicherung auszugehen.

Diese Ansicht bestätigte nun der BGH in seinem vorgenannten Hinweisbeschluss. Es gehe zu Lasten der insoweit darlegungs- und beweispflichtigen klagenden Partei, wenn Geheimhaltungsmaßnahmen zu umgehen waren. Sei im Nachhinein nicht mehr aufklärbar, wann Geheimhaltungsmaßnahmen in der Vergangenheit bereits umgangen wurden, so sei im Zweifel anzunehmen, dass diese bereits vor der in Rede stehenden Verletzungshandlung zu umgehen gewesen seien. 


Praxistipp

Die nunmehr vom BGH bestätigte Ansicht verdeutlicht einmal mehr, wie wichtig die Implementierung von angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen in der Unternehmenspraxis ist. Als klares Fazit lässt sich festhalten, dass der Schutz eigener Geschäftsgeheimnisse von Unternehmen stets mit dem erforderlichen Maß der Ernsthaftigkeit verfolgt werden sollte. Zudem sollte jedes Unternehmen dafür Sorge tragen, dass es sich bei den jeweiligen Geheimhaltungsmaßnahmen nicht nur um „Papiertiger“ handelt, sondern diese auch in der Unternehmenspraxis gelebt werden. Vor allem letzteres sollten Unternehmen in nachweisbarer Weise tun, indem Sie beispielsweise etwaige Schulungen zur Geheimhaltung aufzeichnen, Mitarbeiter zur Teilnahme hieran (notfalls auch mehrfach) auffordern und sich schriftlich die Kenntnis von etwaigen Policies bestätigen lassen. Auch wenn die Maßnahmen vielfältig sein mögen und im jeweiligen Einzelfall von den Unternehmen individuell anzupassen sind, so bleibt doch eine Gemeinsamkeit: Alle Unternehmen sollten bereits präventiv eine entsprechende Papierlage schaffen, aus der sich ein lückenloser Geheimnisschutz nachweisen lässt.


Fazit

Die Entscheidung mag auf den ersten Blick überraschen. Spätestens auf den zweiten Blick wird aber deutlich, dass diese lediglich von dem allgemeinen Grundsatz getragen wird, dass die klagende Partei die volle Darlegungs- und Beweislast für alle anspruchsbegründenden Tatsachen hat. Kann ein Unternehmen somit nicht zur Überzeugung des Gerichts darlegen und beweisen, angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen im Zeitpunkt des Geschäftsgeheimnisverletzung implementiert zu haben, kann es sich folgerichtig nicht auf den gesetzlichen Schutz des GeschGehG berufen.

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