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6. September 2021

Neue EU Dual-Use-Verordnung erhöht den Fokus auf interne Compliance Programme (ICP)

  • Briefing

Die neue EU-Dual-Use-Verordnung 2021/821 tritt am 9. September 2021 in Kraft und ersetzt die bisherige EU-Dual-Use-Verordnung 428/2009. Mit der neuen EU-Dual-Use-Verordnung finden einige wesentliche Änderungen Eingang in die EU-Exportkontrolle. Neben neuen Regelungen für Überwachungstechnik im Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen sowie Zukunftstechnologien wird die Exportkontrolle insgesamt transparenter und effektiver werden. Die Wahrscheinlichkeit der Aufdeckung eines Verstoßes steigt zusätzlich durch die engere Zusammenarbeit der Genehmigungsbehörden der EU Mitgliedsstaaten. Als Voraussetzung für die Nutzung der neuen Allgemeingenehmigung EU007 für die konzerninterne Ausfuhr von Software und Technologie wird erstmals ausdrücklich ein Internal Compliance Programme – „ICP“) vorgeschrieben. Es wird daher wichtiger denn je, ein funktionierendes ICP im Unternehmen zu implementieren, um Verstöße gegen die EU-Exportkontrolle ausschließen zu können.

Catch-All-Klauseln

Die EU-Dual-Use-Verordnung behält die bestehenden sog. Catch-All-Kontrollen bei einer möglichen Verwendung für Massenvernichtungswaffen und militärische Zwecke bei (Art. 4 EU-Dual-Use-Verordnung). Die zunächst vorgesehene neue umfassende Auffangklausel für einen möglichen Missbrauch zu terroristischen Zwecken hat der Verordnungsgeber aufgrund bestehender Terror-/Sanktionslisten nicht umgesetzt.

Neu ist dagegen die Catch-All-Klausel für nicht gelistete Güter für digitale Überwachung (Art. 5 EU-Dual-Use-Verordnung). Diese sind genehmigungspflichtig, wenn die zuständige Behörde den Ausführer darüber in Kenntnis setzt, dass die betreffenden Güter ganz oder teilweise für eine Verwendung im Zusammenhang mit interner Repression oder der Begehung schwerwiegender Verstöße gegen die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht bestimmt sind oder bestimmt sein können. Erhält der Ausführer selbst Kenntnis über eine derartige Endverwendung aufgrund der üblichen Risikoanalyse unter Ausübung seiner Sorgfaltspflichten, hat er die Behörde hierüber zu informieren. Die Risikoanalyse des Unternehmens muss dabei auf Grundlage des implementierten ICP erfolgen. Mit dieser Catch-All-Regelung wird die Zielrichtung der reformierten EU-Dual-Use-Verordnung auf die Kontrolle von Menschrechtsverletzungen ausgeweitet. Durch die Beschränkung des Güterkreises auf digitale Überwachungsgüter wird der Anwendungsbereich der Vorschrift konkretisiert und mehr Rechtssicherheit bei der Umsetzung geschaffen.

Neue Allgemeingenehmigungen

Zwei relevante Neuerungen gibt es mit der Einführung von zusätzlichen Allgemeingenehmigungen, um den Handel zu erleichtern und dennoch ausreichende Kontrollen auf Seiten der zuständigen Behörden zu gewährleisten. Künftig kann der überwiegende Teil der in Anhang I gelisteten Software und Technologie per Allgemeingenehmigung EU007 (Anhang II) konzernintern sowohl an Tochter- als auch an Schwestergesellschaften für die Produktentwicklung in eine Reihe von unbedenklichen Ländern ausgeführt werden. Hierzu gehören u.a. Argentinien, Brasilien, Chile, Indien, Israel, Südafrika. Neben weiteren Voraussetzungen muss der Ausführer dabei aber stets ein funktionierendes ICP vorweisen können und Registrierungs- und Berichtspflichten gegenüber der zuständigen Behörde erfüllen. Mit der geschaffenen Allgemeingenehmigung EU007 für die konzerninterne Ausfuhr von Software und Technologie gibt es erstmalig eine allgemeine Genehmigung der EU, in der ausdrücklich die Forderung nach einem ICP des Ausführers vorgeschrieben ist.

Für Verschlüsselungstechnologien (Kryptografie) wird eine EU Allgemeingenehmigung in Bezug auf den erleichterten Export bestimmter, in Anhang I gelisteter Güter EU008 (Anhang II) eingeführt. Bislang verfügten lediglich Deutschland und die Niederlande in der EU über nationale Genehmigungen im Bereich der Verschlüsselungstechnologie. Die Ausfuhrgenehmigung gilt grundsätzlich für sämtliche Länder, mit Ausnahme von in einer negativen Liste aufgeführten Bestimmungsländer sowie Waffenembargoländer. Außerdem unterliegt der Export engen Voraussetzungen und Berichtspflichten des Ausführers. Allerdings wird durch die neue EU-Dual-Use Verordnung keine generelle Verpflichtung zur Implementierung eines ICP für Allgemeingenehmigungen geschaffen, wie zunächst geplant war.

Einheitliche Verfahren und Austausch zwischen den Behörden

Künftig gilt eine EU-weit einheitliche Genehmigungsdauer für Einzel- und Globalausfuhrgenehmigungen von bis zu zwei Jahren. Genehmigungen für umfangreiche, mehrjährige Großprojekte sind bis zu vier Jahre gültig. Zur weiteren Vereinheitlichung der Anwendungspraxis tragen u.a. verbesserte Austauschmöglichkeiten zwischen den mitgliedstaatlichen Genehmigungs- und Zollbehörden sowie der Kommission zu Genehmigungsentscheidungen bei. Die Verordnung führt insgesamt einen neuen Mechanismus zur Koordinierung der Durchsetzung der Kontrolle im Rahmen der „Güter mit doppeltem Verwendungszweck“ ein, mit welchem die Zusammenarbeit mit den Vollzugsbehörden und der Austausch von Best Practices verbessert werden soll.

Erhöhte Anforderungen an ICP

Die Anforderungen an ein ICP von Unternehmen werden durch die Novellierungen weiter ansteigen. Die neue EU-Dual-Use-Verordnung forciert eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den EU-Mitgliedstaaten, deren Exportkontroll- und Zollbehörden und der EU-Kommission mit dem Ziel zu mehr Transparenz, verbesserten Kontrollen, Harmonisierung von Prozessen und zur Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen innerhalb der Mitgliedsstaaten. Die Feststellung von Exportkontrollverstößen wird durch die Zusammenarbeit auf EU Ebene steigen. Dies erfordert spiegelbildlich entsprechende Reaktionen auf Seiten der Ausführer in Bezug auf deren ICP.

Die EU-Dual-Use-Verordnung definiert den Begriff „ICP“ erstmals selbst und nimmt verschiedentlich darauf Bezug. Im Sinne der neuen Verordnung bezeichnet der Ausdruck ICP (Erwägungsgrund 21 der EU-Dual-Use-Verordnung):

„internes Programm für rechtskonformes Verhalten“ oder „ICP“ („internal compliance programme“) laufende wirksame, geeignete und verhältnismäßige Strategien und Verfahren, die von Ausführern angenommen werden, um die Einhaltung der Bestimmungen und Ziele dieser Verordnung und der Bedingungen der gemäß dieser Verordnung erteilten Genehmigungen zu fördern, unter anderem Maßnahmen im Rahmen der Sorgfaltspflicht zur Bewertung der Risiken im Zusammenhang mit der Ausfuhr der Güter zu Endverwendern und Endverwendungen;“

Vor dem Hintergrund dieser Legaldefinition sollten bestehende ICP überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Ein ICP stellt in der täglichen Praxis der Exportkontrolle den erforderlichen „Schutzschirm“ für Unternehmen dar. Die Erteilung von Exportgenehmigungen hängt bereits bisher oft davon ab, ob das Unternehmen nachweislich zuverlässig ist. Mit einem ICP kann der Ausführer die Zuverlässigkeit nachweisen. Zudem sind Verstöße gegen Exportkontrollrecht nicht nur strafrechtlich bewehrt oder führen zu negativen verwaltungsrechtlichen Folgen (u.a. Bußgeldverfahren). Exportverstöße werden auch von den Medien aufgegriffen und können einen enormen Imageverlust der betroffenen Unternehmen nach sich ziehen. Eine funktionierendes ICP kann dazu beitragen, diese Risiken bestenfalls vollständig auszuschließen oder zu verringern. Ausführer sollten anlässlich der Einführung der neuen EU-Dual-Use-Verordnung prüfen, ob ihr ICP den geltenden Anforderungen entspricht.

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