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27. März 2024

OLG Nürnberg zum unberechtigten Vorwurf des Rechtsmissbrauchs bei Abmahnung

  • Briefing

Co-Autorin: My Anh Cao

Eine aktuelle Entscheidung des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 18. Juli 2023 (Az.: 3 U 1092/23) befasst sich mit einer zu Unrecht als rechtsmissbräuchlich eingestuften Abmahnung, die Werbeangaben für Nahrungsergänzungsmittel betrifft.

Die Verfügungsbeklagte vertrieb Nahrungsergänzungsmittel unter anderem für die Augengesundheit und Gelenke über eine Internetseite, auf der sie mit Angaben zu deren positiven Wirkung warb. Die Prozessbevollmächtigte der Verfügungsklägerin mahnte die Verfügungsbeklagte im Namen der Verfügungsklägerin ab und legte der Abmahnung eine vorformulierte Unterlassungserklärung bei, in der die Verfügungsbeklagte sich zur Zahlung einer Vertragsstrafe für jeden Fall der Zuwiderhandlung unter Ausschluss der Einrede der natürlichen Handlungseinheit verpflichten sollte und im Fall von Dauerhandlungen, etwa durch eine Zuwiderhandlung im Internet, jede angefangene Woche der Zuwiderhandlung als einzelner Verstoß gelten sollte. In einer eidesstattlichen Versicherung von einem der Geschäftsführer der Verfügungsklägerin führte dieser aus, dass die Prozessbevollmächtigte eigenständig etwaige Wettbewerbsverstöße für von ihr ausgewählte Nahrungsergänzungsmittel der Verfügungsbeklagten identifizieren und ggf. abmahnen sollte. Das Landgericht Nürnberg-Fürth wies den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück und führte aus, dass die Abmahnung unzulässig und nach § 8c Abs. 1 UWG rechtsmissbräuchlich sei. 

Das Oberlandesgericht Nürnberg kam in seiner Entscheidung vom 18. Juli 2023 zu dem Ergebnis, dass der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung nach einer Gesamtwürdigung der maßgeblichen Kriterien nicht rechtsmissbräuchlich sei und nicht nach § 8c UWG abgewiesen werden könne. Von einem Rechtsmissbrauch sei auszugehen, wenn sich der Gläubiger bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs von sachfremden Gesichtspunkten leiten lässt. Indizien seien in dem nicht abschließenden Katalog von Regelbeispielen für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten in § 8c Abs. 2 UWG zu finden. Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 8c Abs. 2 UWG sei weiterhin eine Gesamtwürdigung aller Einzelfallumstände erforderlich. Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten könne nach § 8c Abs. 2 Nr. 1 UWG vorliegend aber nicht angenommen werden, da die Prozessbevollmächtigte der Verfügungsklägerin das Abmahngeschäft nicht aus eigener Initiative betrieben habe, sondern von der Verfügungsklägerin beauftragt worden sei. § 8c Abs. 2 Nr. 5 UWG sei vorliegend nicht anwendbar, da sich die geforderte Unterlassungserklärung auf die jeweils beanstandete konkrete Rechtsverletzung beziehe. Dass die Verfügungsbeklagte auf die Einrede der natürlichen Handlungseinheit verzichten und bei Dauerhandlungen jede Woche als einzelner Verstoß gelten sollte, betrifft nicht den Umfang der Unterlassung, sondern die aus dem Verstoß resultierende Rechtsfolge. Eine Vereinbarung oder Forderung überhöhter Vertragsstrafen liege nach § 8c Abs. 2 Nr. 4 UWG ebenso nicht vor. Nach dem Wortlaut des § 8c Abs. 2 Nr. 4 UWG könne eine einzige offensichtlich überhöhte Vertragsstrafe keinen Missbrauch indizieren, denn dieser verlangt (mehrere) „offensichtlich überhöhte Vertragsstrafen“. Der Verzicht auf die Einrede der natürlichen Handlungseinheit sei deshalb nicht rechtsmissbräuchlich, weil die Schwelle zur Offensichtlichkeit einer überhöhten Vertragsstrafe, die ebenso von § 8c Abs. 2 Nr. 4 UWG vorausgesetzt wird, nicht überschritten werde. Es handele sich vorliegend um eine Individualvereinbarung, nach der mehrere Verstöße nicht zu einer Einheit zusammengefasst werden sollten. Ob die Aufspaltung einer Dauerhandlung in einzelne Zuwiderhandlungen pro Wocheneinheit einen Rechtsmissbrauch indiziere, könne der Senat offenlassen, da der Verfügungsklägerin lediglich ein einziger Fall der Forderung einer überhöhten Vertragsstrafe vorgeworfen werden könne, der jedoch kein Indiz für einen Rechtsmissbrauch darstellt. Der im Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vorgeschlagene Streitwert sei ebenso nicht rechtsmissbräuchlich nach § 8c Abs. 2 Nr. 1 UWG.

Das ist wichtig | To Do: Die Entscheidung zeigt einmal mehr, wie sehr es bei der Beurteilung der Frage, ob ein Rechtsmissbrauch vorliegt, auf die Umstände des Einzelfalls ankommt. Zu Recht werden auch eher hohe Anforderungen an die Annahme eines Rechtsmissbrauchs gestellt, denn schließlich geht es bei lauterkeitsrechtlichen Abmahnungen auch immer darum, die Einhaltung der Spielregeln des Lauterkeitsrechts im Allgemeininteresse durchzusetzen. Von Relevanz ist die Entscheidung auch deshalb, weil aufgezeigt wurde, dass ebenso bei isolierter Verwirklichung eines Regelbeispiels des § 8c Abs. 2 UWG dennoch eine Gesamtwürdigung der Einzelumstände erforderlich ist, um einen Rechtsmissbrauch darlegen zu können. 

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