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Dr. Gregor Staechelin

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2. Februar 2024

Schadenersatz bei Verlustvermutung von Gütern nach der CMR

  • Briefing

Im Folgenden stellen wir eine jüngere Entscheidung des OLG Karlsruhe (Urteil vom 17.2.2023 – Az. 15 U 4/22) vor, die sich mit Schadenersatzansprüchen wegen vermutetem Verlust von Gütern im Rahmen eines Transportauftrages befasst. Sie zeigt einige interessante Rechtsfragen in Zusammenhang mit Pflichten und Haftung von Frachtführern bzw Speditionen auf.

Im Wesentlichen geht es um die Frage, ab wann, unter welchen Umständen und in welcher Höhe ein Versender Schadenersatz für Güter verlangen kann, die nicht auftragsgemäß in die Obhut des Empfängers übergeben wurden, dann aus dem Blickfeld der Beteiligten verschwunden, später aber wieder aufgetaucht sind.

Sachverhalt (vereinfacht)

Die Versicherungsnehmerin der Klägerin beauftragte die Beklagte im Dezember 2019 mit dem Transport einer Partie Schmuck im Wert von ca. 33.500 EUR zur Empfängerin. Die Beklagte schaltete für den letzten Teil des Transportes eine Subunternehmerin ein. Diese verbrachte das Transportgut zwar am 19.12.2019 zur Empfängerin, die die Annahme jedoch verweigerte. Die Subunternehmerin lagerte das Gut dann auf Weisung der Beklagten ein und wartete auf weitere Weisungen der Beklagten, also ihrer Vertragspartnerin. Die Hauptbeteiligten verloren die Ware, die weiter bei der Streithelferin lagerte, dann aus den Augen. Die Klägerin verlangte in der Folge von der Beklagten Schadenersatz für die Ware. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz lieferte die Beklagte die Ware bei der Versicherungsnehmerin der Klägerin an, die jedoch ihrerseits nun die Annahme verweigerte.

Verlustfiktion des Art. 20 Abs. 1 CMR

Vorliegend war auf den Transportvertrag, weil grenzüberschreitend, die CMR anwendbar. Diese regelt in ihrem Art. 20 Abs. 1, dass der Verfügungsberechtigte Ware, die nicht innerhalb von 30 Tagen nach Ablauf der vereinbarten Lieferfrist oder mangels einer solchen Vereinbarung 60 Tage nach Übernahme des Gutes beim Empfänger abgeliefert wurde, als verloren gegangen behandeln kann. Grund für diese Verlustfiktion ist, dass der Anspruchsberechtigte nach Ablauf der einschlägigen Frist frei disponieren können soll, ohne später verpflichtet zu sein, die Ware doch noch anzunehmen. Der Anspruchsberechtigte ist dann für den Verlust zu entschädigen, kann aber verlangen, dass er bei Wiederauffinden des Gutes benachrichtigt wird und dann ggf. gegen Rückerstattung der Entschädigung für den Verlust, die Ware doch wiedererhält. Das deutsche HGB kennt für innerdeutsche Transporte eine weitgehend entsprechende Regelung in § 424 HGB. Die Verlustfiktion der CMR ist unwiderleglich. Das spätere Wiederauffinden des Schmucks im Lager der Subunternehmerin und der Anlieferungsversuch der Beklagten bei der Versenderin ändern daran nicht. Letztere war auch nicht zur Annahme verpflichtet.

Nachdem die 60 Tage nach Übernahme des Gutes vorliegend abgelaufen waren, konnte die Klägerin aus von der Versicherungsnehmerin als Versenderin übergegangenem Recht Schadenersatz für die Ware von der Beklagten verlangen.

Keine Erfüllung aber Pflicht zur Einholung von Weisungen

Der Senat hatte auch zu prüfen, ob die Beklagte einwenden konnte, dass ihre Subunternehmerin der Empfängerin das Gut ja wie vertraglich mit der Versenderin vereinbart am Ablieferort angeboten hat, die Empfängerin aber die Annahme verweigert hat. Er entschied zu Recht, dass dies nicht der Fall ist. Zwar gilt nach Art. 16 Abs. 2 CMR der Frachtvertrag als beendet, wenn die Ware nach Auftreten eines Ablieferungshindernisses ausgeladen wird, auferlegt dem Frachtführer dann aber die Pflicht, die Ware für den Verfügungsberechtigten zu verwahren. Ein Ablieferungshindernis im Sinne der Art. 15 Abs. 1 CMR lag hier zwar in der Annahmeverweigerung der Empfängerin vor und die Subunternehmerin lagerte die Ware dann ein. Die Einlagerung erfolgte aber für die Beklagte und nicht für die Versenderin oder deren Empfängerin. Zudem verpflichten Artt. 14 und 15 CMR den Frachtführer beim Verfügungsberechtigten Weisungen einzuholen. Dies hatte die Beklagte unterlassen. Insoweit stellt das Gericht auch klar, dass es nicht zum Pflichtenkreis der Versenderin gehört sicherzustellen, dass die Empfängerin die Ware auch annimmt. Die Empfängerin ist nicht Erfüllungsgehilfin der Absenderin.

Haftung auf den vollen Wert ohne Haftungserleichterung

Die Beklagte berief sich dann – vermutlich hilfsweise – darauf, dass sie nur auf den nach Art. 23 Abs. 3 auf 8,33 Sonderziehungsrechte je kg Rohgewicht der Ware begrenzten Betrag haften müsse. Dem erteilte der Senat aber eine Absage und verurteilte die Beklagte wegen qualifiziertem Verschulden nach Art. 29 CMR zum vollen Schadenersatz. Qualifiziert verschuldet handelt nach dieser Vorschrift, wer sich über die Interessen des Vertragspartners in besonders krasser Weise hinwegsetzt und naheliegende Überlegungen nicht anstellt, die einen Schaden verhindern konnten. Im Fehlen der Einholung von Weisungen durch die Beklagte bei der Versenderin nach Annahmeverweigerung sah der Senat einen solchen besonderen Pflichtenverstoß. Der Beklagten oblag hier, wie üblich, eine sekundäre Darlegungs- und Beweislast für die genauen Abläufe, die die Klägerin (und deren Versicherungsnehmerin) nicht kennen konnten. Aus ihrem diesbezüglichen Vortrag ergab sich, dass zwar eine Sendungsverfolgung implementiert war, die Sendung aber entgegen der tatsächlichen Abläufe bei der Subunternehmerin als in die Obhut der Empfängerin übergegangen verzeichnet war. Erst im Juni 2020 erfolgte offenbar eine Sendungsrecherche, so dass die Sendung über sechs Monate als außer Kontrolle zu bewerten war.

Fazit

Versender sollten ihre Rechte aufgrund der Verlustfiktion kennen. Frachtführer sollten ihre Pflicht zur Einholung von Weisungen im Falle einer Annahmeverweigerung des Empfängers beachten und insbesondere bei Einsatz von Subunternehmern sicherstellen, dass sie von diesen umfassend und zutreffend informiert werden. Denn für Versäumnisse des Subunternehmers haftet der Spediteur seinem Auftraggeber nach § 428 HGB oder Art. 3 CMR. Denn er setzt ihn als Erfüllungsgehilfen ein, oder in der Diktion des Transportrechtes, als Teil seiner „Leute“.

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