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11. Oktober 2023

Zusatzgarantien als reguliertes Versicherungsgeschäft

  • Briefing

Jetzt besteht dringender Handlungsbedarf für Hersteller und Händler!

In vielen Industriesektoren wie Automobil-, Maschinenbau- oder IT-Wirtschaft gibt es seit Langem den Trend, Produkte und Dienstleistungen zusammen mit für Kunden attraktiven Zusatzleistungen in Form von Garantieversprechen mit und ohne Wartungszusage anzubieten. Seit dem 1. Januar 2023 gilt hierfür ein deutlich engerer steuerlicher und auch rechtlicher Rahmen als in der Vergangenheit:

Bei solchen Zusatzgarantieversprechen ist deshalb spätestens jetzt unbedingt abzuklären, ob Anbieter sich damit noch im Rahmen einer unselbständigen Nebenabrede zur Vollwartung bewegen, oder ob womöglich ein versicherungsteuerbares und erlaubnispflichtiges Versicherungsgeschäft vorliegt. Denn bei Verstoß drohen nicht nur Geldbußen, sondern Geschäftsverbot und sogar Freiheitsstrafen für die Geschäftsleitung!

Warum ist die Abgrenzung zum Versicherungsgeschäft wichtig?

Es stellt sich angesichts der aktuellen Änderung der Praxis der deutschen Finanzbehörden bei allen über die gesetzliche Gewährleistung hinausgehenden Garantieversprechen von Hersteller- und/oder Händler-Unternehmen die Frage, ob es sich bei diesem Zusatzgeschäft womöglich um den Betrieb von Versicherungsgeschäft handelt. Darauf wären das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) und das Versicherungsteuergesetz (VersStG) anwendbar, und das hätte ganz erhebliche rechtliche Folgen für die Anbieter, die ja in einem ganz anderen Industriesektor tätig sind: Wenn das Zusatzgeschäft tatsächlich Versicherungsgeschäft ist, dann wäre das Hersteller- oder Händler-Unternehmen nämlich ein Versicherungsunternehmen im Sinne der §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 7 Nr. 33 VAG und würde somit eine Erlaubnis gemäß § 8 Abs. 1 VAG von der Versicherungsaufsichtsbehörde, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), benötigen.

Fehlt es dem Unternehmen an einer solchen versicherungsaufsichtsrechtlichen Erlaubnis, droht dessen Geschäftsleitern schlimmstenfalls eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren gemäß § 331 Abs. 1 Nr. 1 VAG; jedenfalls drohen dem Unternehmen eine BaFin-Verfügung der sofortigen Geschäftseinstellung und -abwicklung nach § 308 Abs. 1 VAG, ein Bußgeld und die namentliche Veröffentlichung dieser BaFin-Maßnahmen gegen das Unternehmen gemäß § 308 Abs. 2 VAG. Das würde also zudem einen erheblichen Reputationsschaden für das Unternehmen bedeuten.

Hinzu kommt, dass hinsichtlich des Garantiegeschäfts auch keine Umsatzsteuer (mit Vorsteuerabzug beim Leistungsempfänger, also dem Kunden), sondern Versicherungsteuer anfällt. Diese ist gemäß §§ 1 Abs. 1, 7 Abs. 2 VersStG in Verbindung mit § 4 Nr. 10 lit. a) Umsatzsteuergesetz (UStG) vom Unternehmer für die Kunden abzuführen – bei Verletzung drohen auch hier Ordnungswidrigkeiten und schlimmstenfalls die Strafbarkeit der Geschäftsleitung des betreffenden Unternehmens. Dies gilt es zu vermeiden! Daneben ist es fast schon eine Randbemerkung, dass ungünstige Leistungsketten in der Unternehmensgruppe auf Anbieterseite zu einer Verteuerung führen können (fehlender Vorsteuerabzug) und eine unnötige – und erhebliche – Zusatzbelastung bzw. Margenminderung bewirken. Hier sollte gestalterisch eingegriffen werden.

Was ist reguliertes Versicherungsgeschäft?

Der Begriff des Versicherungsgeschäfts ist nicht gesetzlich definiert. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG)(BVerwG, Urteil vom 29. September 1992, -1 A 26/91-, VersR 1993, S. 1217 f.)  betreibt ein Unternehmen das reglementierte Versicherungsgeschäft, wenn es

  • eine bestimmte Dienstleistung
  • gegen Entgelt
  • für den Fall eines ungewissen Ereignisses
  • in rechtlich verbindlicher Weise übernimmt, wobei
  • das übernommene Risiko auf eine große Zahl von Personen verteilt wird, die von demselben Risiko bedroht sind, und wobei die Risikobewertung auf der Berechnung nach dem Gesetz der großen Zahlen beruht, und wobei
  • das Risiko keine unselbständige Nebenabrede ist, die mit einem anderen Hauptvertrag verbunden ist, der kein Versicherungsvertrag ist.

Noch bis in die 1980er Jahre hatte die BaFin-Vorgängerbehörde, das damalige Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen (BAV), die ganz strikte Auffassung vertreten, dass eine entgeltliche Verlängerung der damals geltenden 6-monatigen gesetzlichen Kaufgewährleistungspflicht um ein Jahr eindeutig reguliertes Versicherungsgeschäft sei und nur von Versicherungsunternehmen angeboten werden dürfe. Diese BAV-Position wurde durch das BVerwG-Urteil vom 10. Mai 1992 (BVerwG, Urteil vom 12. Mai 1992, - 1 A 126/89 -, VersR 1992, 1381.)  aufgehoben: Das BVerwG stellte fest, dass eine solch kurze Verlängerung der gesetzlichen Gewährleistungsfrist auf 18 Monate eine unselbständige Nebenabrede zum Kaufvertrag sei, von der sie ihren Rechtscharakter erhalte, weil das Verkäufer-Unternehmen nur die Gebrauchstauglichkeit der Ware für länger als lediglich 6 Monate garantiere. In der Folgezeit passte das BAV seine Aufsichtspraxis an die Auffassung des BVerwG an, allerdings mit der Spezifizierung, dass Verlängerungen der gesetzlichen Gewährleistungspflicht des Verkäufers (gemäß §§ 434 ff. BGB) dann ein reguliertes Versicherungsgeschäft sein können, wenn die Gewährleistungsfrist um mehrere Jahre verlängert würde, es sei denn das Garantiegeber-Unternehmen könne gegenüber der Versicherungsaufsichtsbehörde glaubhaft darlegen, dass die von ihm verkauften Produkte während dieser verlängerten Gewährleistungs- oder Garantiezeit typischerweise mangelfrei bleiben (VerBAV 2002, S. 108 (109).).

Mit Urteil vom 14. November 2018 entwickelte der Bundesfinanzhof (BFH) allgemeine Grundsätze für die Anwendbarkeit des VersStG auf sogenannte Garantieverlängerungen: Demnach sei das wesentliche Merkmal eines Versicherungsverhältnisses im Sinne des § 1 Abs. 1 VersStG, dass sich das Versicherungsunternehmen verpflichtet, dem Versicherten im ungewissen Fall des Eintritts des gedeckten Risikos gegen vorherige Zahlung einer Prämie eine vereinbarte Leistung (Geld oder Naturalleistung) zu erbringen. "Versicherer" im Sinne des VersStG seien zwar in erster Linie Versicherungsunternehmen, die der Versicherungsaufsicht unterliegen, es könnten aber auch Unternehmen ohne eine aufsichtsbehördliche Erlaubnis sein. Eine Leistung sei nur dann als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck verfolge, sondern lediglich ein Mittel darstelle, um die (vom Nebenleistungserbringer erbrachte) Hauptleistung zu optimalen Bedingungen in Anspruch nehmen zu können; wenn die vom Verkäufer erbrachte zusätzliche Garantieleistung einen eigenen Zweck verfolge, dann sei sie als vom Kaufvertrag unabhängige Versicherungsleistung anzusehen.

Das BMF rudert zurück

Mit an die deutschen Oberfinanzdirektionen gerichtetem Schreiben vom 11. Mai 2021 (BMF-Schreiben vom 11. Mai 2021, BStBl I 2021 S. 781)  nimmt das Bundesministerium der Finanzen (BMF) zur Abgrenzung zwischen abhängigen Garantien und Versicherungsgeschäften nun eine wieder deutlich strengere Auffassung ein: Laut BMF sind alle freiwilligen entgeltlichen Gewährleistungsverträge, die im Zusammenhang mit einem Kaufvertrag abgeschlossen werden, steuerlich als Versicherungsgeschäft zu qualifizieren. Diese Einschätzung gelte unabhängig von der Branche und schließe auch Herstellergarantien ein. Lediglich zwei Ausnahmen lässt das BMF zu, die in einem FAQ-Dokument des BMF vom 10. März 2023 präzisiert werden:

  • der Verkauf eines bereits mit einer nicht-optionalen Garantie ausgestatteten Ware, bei der die (zusätzlichen) Kosten der gewährten Garantie bereits im Verkaufspreis enthalten sind und bei der die Ware ausschließlich "inklusive Garantie" angeboten wird, dem Kunden also keine Möglichkeit gegeben wird, das Produkt ohne Garantie zu einem niedrigeren Preis zu erwerben, oder
  • das Angebot unselbstständiger Zusatzgarantien in Verbindung mit einem Vollwartungsvertrag, der die Funktionsfähigkeit des Produkts während der vertraglich vereinbarten Laufzeit umfassend erhalten soll; die Zusatzgarantie darf dann nur auf eine Beseitigung der Störung bzw. des Schadens gerichtet sein, der durch die Vollwartung gerade verhindert werden soll.

Eine einheitliche, kostenlose Garantieverlängerung für alle Kunden entspricht nicht den anzutreffenden Geschäftsmodellen und ist damit keine Lösung. Für die Praxis wird damit bedeutsam sein, ob eine „Flucht in die Vollwartung“ funktionieren kann, um sich rechtlich und steuerlich auf die sichere Seite zu bringen. Wir stehen dem – aus verschiedenen Gründen – mindestens skeptisch gegenüber, und es kommt auf den Einzelfall an. Wir gehen davon aus, dass die BaFin dieser neuen Praxis der deutschen Finanzbehörden folgen und damit zu ihrem ursprünglichen Verständnis von reguliertem Versicherungsgeschäft zurückkehren wird. Zudem rechnen wir damit, dass dieses deutsche Rechtsverständnis in absehbarer Zeit auf die gesamte Europäische Union (EU) ausgeweitet werden wird, weil die Abgrenzung zwischen – harmonisierter – Umsatzbesteuerung und Versicherungsteuerpflicht EU-weit einheitlich erfolgen dürfte.

Fazit

Nach unserer Praxisbeobachtung entsprechen sehr viele der derzeit im deutschen Markt von Herstellern und Händlern angebotenen Zusatzgarantien und Added Value-Services nicht diesen neuen strengeren rechtlichen Anforderungen, die bereits seit 1. Januar 2023 gelten. Es besteht also dringender Handlungsbedarf – denn einige wenige Marktteilnehmer haben ihr Geschäft mit Zusatzgarantien bereits den neuen Compliance-Anforderungen angepasst und haben damit im Markt die Nase vorn! Für viele Anbieter stellt sich also die Frage, mit welcher wirtschaftlich sinnvollen Lösung sie nun auf diese Herausforderung reagieren.

Erschienen in: Zeitschrift Comply, 3/2023, S. 50/51

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