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Dr. Gregor Staechelin

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18. Oktober 2021

Explodierende Frachtraten! - Wer trägt das Preisrisiko?

  • Briefing

Die Frachtraten, also die Preise für Transportleistungen, ebenso wie Nebenkosten (zB Kosten für Packmittel) explodieren seit Monaten. Die Gründe dafür sind durchaus vielfältig: die Havarie des Containerschiffs Ever-Given im Suez Kanal, zeitweise Sperrung chinesischer Häfen wegen Corona, Asymmetrie der Containerverfügbarkeit, Materialknappheit für Packmittel, Fahrermangel (siehe insbes. UK), erhöhte Nachfrage als Nachholeffekt der Corona-Krise und dadurch zunehmender E-Commerce, Zusatzkosten des Klimaschutzes, etc.

Vielfach wird erwartet, dass es sich nicht nur um ein vorübergehendes Phänomen handelt, sondern um ein zumindest mittelfristiges, jedenfalls die Transportkosten sich wesentlich volatiler zeigen werden, als der Markt dies bislang kannte und die Marktteilnehmer dies beispielsweise für langfristige Verträge einkalkuliert haben.

Konkrete Beispiele: Die Kosten für neue Europaletten am deutschen Markt haben sich laut Marktinformation binnen weniger Monate mehr als verdoppelt. Nach einer Meldung des Handelsblattes vom 10.06.2021 liegt der Durchschnittspreis für einen Containertransport auf dem Spotmarkt aktuell viermal so hoch wie vor einem Jahr; auf einzelnen Teilstrecken ist der Anstieg noch dramatischer. Auch die Preise für LKW Transporte in Europa liegen in Q2/2021 ca: 10% über denen vor Corona Zeiten (2019) und um mehr als 20% über dem Niveau des Vorjahresquartals, Tendenz steigend. Nach einer neueren Umfrage des Bundesverbands Materialwirtschaft Einkauf und Logistik (BME) unter 166 deutschen Unternehmen befürchten 30% der Befragten einen anhaltenden Containermangel und 57 % höhere Fracht- und Logistikkosten.

Allokation des Preisrisikos

Daher stellt sich die Frage, wer das Preisrisiko trägt.

Werden Transporte auf dem Spotmarkt eingekauft, wird der Versender wohl oder übel die aktuell hohen Preise bedienen müssen. Das gleiche gilt, wenn der Versender, was kaum noch vorkommt, einen echten Speditionsvertrag (§435 HGB) mit seinem Transportdienstleister geschlossen hat, wonach dieser Transporte besorgt. Dann gibt der echte Spediteur seine Einkaufspreise zzgl. der vereinbarten Marge weiter.

Pacta sunt servanda

Wer regelmäßig und in größerem Umfang Transporte beauftragt, wird sich vom Spotmarkt abgekoppelt haben und einen Rahmenvertrag über einen längeren Zeitraum geschlossen haben. Sieht dieser keine vertraglichen Preisanpassungsmechanismen vor, so gelten die ursprünglich vereinbarten Konditionen bis zur Grenze der Störung der Geschäftsgrundlage. § 313 BGB gibt prinzipiell die Möglichkeit, eine Vertragsanpassung zu verlangen, wenn sich Umstände, die zur Geschäftsgrundlage des Vertrages geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend geändert haben. Das kann insbesondere auch das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung sein, eine sogenannte Äquivalenzstörung. Allerdings sind die Hürden dafür extrem hoch, da das Risiko der Entwertung der Zahlungsforderung relativ zur Gegenleistung prinzipiell der Gläubiger der Geldforderung trägt. Nur dann, wenn das Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung so stark gestört ist, dass die Grenze des übernommenen Risikos überschritten und das Interesse der benachteiligten Partei auch nicht mehr annähernd gewahrt ist, kann ein Preisanpassungsverlangen begründet sein (Urteil des BGH vom 23.05.1980, V ZR 20/78). Die zugunsten von Anpassungsverlangen höchstrichterlich entschiedenen Fälle betreffen dabei fast alle Verträge mit extrem langer Laufzeit und – zumeist inflationsbedingter – Entwertung der Geldforderung um hohe zweistellige oder sogar dreistellige Prozentpunkte.

Vertragliche Preisanpassungsmechanismen

Da Transporte ein Massengeschäft mit niedriger Marge sind, sehen allerdings viele auf Dauer geschlossene Verträge Preisanpassungsmechanismen vor. Dabei sind viele Modelle verbreitet. Teilweise werden Preise angepasst, wenn sich spezifische preisbildende Faktoren ändern, auf die der Dienstleister selbst keinen Einfluss hat (Stichwort: Mautgebühren oder Kraftstoffpreise). Ähnliches gilt, wenn Eingriffe von hoher Hand die Kalkulation ändern. Andere Regelungen sehen Anpassungsmechanismen vor, wenn sich andere relevante Gestehungskosten für Transportleistungen ändern (zB Fahrzeug- oder Personalkosten). Häufig gibt es auch turnusmäßige Neuverhandlungen der Frachten während der Laufzeit, gekoppelt mit Sonderkündigungsrechten oder Schiedsgerichts- oder Schiedsgutachterabreden, soweit die Parteien keine Einigung finden. Schließlich werden Preisentwicklungen für Transportleistungen teilweise auch an Indexregelungen gekoppelt. Solche lösen das eingangs beschrieben Problem der Äquivalenzbeeinträchtigung durch die aktuellen Marktpreisentwicklungen natürlich nur dann, wenn der gewählte Index leistungs- oder zumindest branchenspezifisch ist, wie es das Preisklauselgesetz in gewissen Fällen auch verlangt. Aber auch bei passendem Index hilft dieser dann nur zeitlich verzögert, weil die Indices die Preisentwicklungen nicht sofort abbilden. Viele Verträge kombinieren auch die vorgenannten Ansätze zu Preisanpassung. Es kommt daher auf den Einzelfall und die genaue Preisanpassungsklausel an, ob und ggf. wann eine Vertragspartei Anpassungen verlangen kann.

Auswirkungen auf Handelsgeschäfte

Die Musik spielt allerdings nicht lediglich im Verhältnis des Versenders zu seinem Transportdienstleister, sondern auch im Verhältnis zwischen Handelspartnern. Typischerweise vereinbaren Verkäufer und Käufer, wer das Risiko und die Kosten des Transportes zu tragen hat, häufig unter Rückgriff auf die ICC Incoterms, die derzeit in der Fassung des Jahres 2020 vorliegen. Bei den sogenannten D-Klauseln (DAP, DPU und DDP) trägt allein der Verkäufer die Transportkosten bis zum Bestimmungsort und das Risiko ihrer Erhöhung, bei EXW oder FCA der Käufer und bei anderen Klauseln liegen gemischte Modelle vor (zB der Verkäufer nach FOB bis zur Verbringung auf das Seeschiff). Je nach Wert der Güter, der Länge der Transportwege und dem Verhältnis der Transportkosten zum Wert der Güter, können Preissteigerungen für Transporte wie oben beschrieben auch das Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung in Handelsgeschäften empfindlich beeinträchtigen. Mit Blick auf mögliche Anpassung der vereinbarten Preise gilt das oben zum Verhältnis Versender und Transportunternehmen Dargelegte sinngemäß, wobei erfahrungsgemäß Preisanpassungsmechanismen bei Handelsgeschäften weniger stark verbreitet sind.

Praxishinweis

Die Berechtigung eines Preisanpassungsverlangens ist im Einzelfall anhand des Vertrages und eventueller Äquivalenzstörungen zu bewerten. Wenn die Unterstellung richtig ist, dass der Markt der Transportleistungen mittel- und/oder langfristig volatiler sein wird, empfiehlt es sich in vielen Konstellationen, vertragliche Preisanpassungsmechanismen vorzusehen, um keine unliebsamen Überraschungen zu erleben.

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